Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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sten, Gütern und größeren Niederlassungen und hohe Beamte waren, saßen oft 
im Namen des Herzogs zu Gerichte in der Pfalz (in palatio) und hielten 
große Versammlungen (placita palatina). Sonst hießen überhaupt die Ge- 
richte placitum, mallum, und der Ort derselben die Mall statt. 
Die Gaugerichte selbst waren von zweifacher Art, die ungebotenen 
(placita non indicia) und die gebotenen (indicta); jene wurden zu einer 
allgemein bekannten Zeit gehalten, daher auch nicht angesagt, meistens am ersten 
des Monats oder alle fünfzehn Tage, zur Untersuchung der Händel und damit 
Friede im Lande sey. Die ungebotenen wurden für Parteien eigens be¬ 
stimmt, wobei auch jeder Freie erscheinen konnte. Da die alten Deutschen nach 
Nächten, nicht nach Tagen rechneten, so wurde gewöhnlich »nach fünfzehn 
Nächten" angesagt. Das Gericht (dinc, ding) wurde unter freiem Himmel 
und bei Tage (tage-ding, teiding) gehalten, anfangs bei heidnischen Opfer- 
stätten, später bei christlichen Kirchen oder in denselben, auch gerne unter schat¬ 
tigen Bäumen, Eichen oder Linden, an Flüssen, auf Hügeln, oder an der Hee¬ 
resstraße. Die Gerichtsplätze waren mit Schranken oder Geländern von Holz 
eingefaßt, außerhalb derselben standen die Freien des Volkes, innerhalb 
waren Bänke (scranna, Schrannen) für den Grafen und die Urtheiler; jener 
hielt den Gerichtsstab in der Hand, der Kläger und Geklagte standen vor ihm; 
dieser Platz hieß auch der Ring. Die auf Hügeln, war gewöhnlich dort, wo der 
Gaugraf seinen Sitz oder seine Burg hatte. Die Dingpflichtigen erschienen frü¬ 
her bewaffnet, später aber, doch noch in dieser Periode, unbewaffnet, wahrschein¬ 
lich wegen Unordnungen, die einst vorgefallen waren. 
Vor das Gaugericht konnten alle Civil- und Criminatfälle gebracht werden, 
zuerst mußten aber immer die Angelegenheiten der Kirche, der Witwen und 
Waisen abgehandelt werden. Der Kläger trug seine Klage vor, der Beklagte 
suchte sich zu vertheidigen und von derselben frei zu machen. Als Beweismittel 
galten für Civilsachen Zeugen und Urkunden. Ein Zeuge mußte ein Freier 
seyn, der die Aussage bestätigen konnte, oder ein Markgenosse, besonders, wenn 
es sich um echtes Grundeigenthum oder Verletzung desselben handelte. Andere 
waren nur Zeugen eines abgeschlossenen Handels, Kaufes, Tausches, Verkaufes 
oder einer Schenkung. Eine besondere Sitte, welche in Urkunden oft erwähnt 
und nur in Baiern gefunden wird, war, daß man die Zeugen bei den Ohren 
herzuzog (testes per aurem tracti, ut Bajoariorum mos declarat). Dies 
war ein Sinnbild, wodurch die Handlung sehr bemerkbar gemacht und dem Ge¬ 
dächtnisse eingeprägt wurde. Andere aber meinen, es bedeute, daß sie nicht frei¬ 
willig, aus Interesse für Jemanden, sondern herbeigezogen Zeugenschaft 
ablegen. Die Zahl her Zeugen war gewöhnlich sieben, so wie die Zahl der
	        
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