Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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lichkeiten, aber zugleich der Beschützer derselben, ihr Stellvertreter und der Vor¬ 
mund (Mundium, Schutz) seiner Kinder, bis der Sohn wehrhaft geworden, 
oder eine Tochter in die Ehe getreten war, wodurch sie in ihres Gatten Gewehre 
und Schutz kam. Aber für andere Falle gab es öffentliche Gerichte verschiedener 
Art. Der ganzen Verfassung gemäß waren eigentlich alle zur Verwandtschaft 
oder Sippe des Klägers und des Geklagten gehörigen freien Mitglieder die 
Richter, es wurde aber wegen Vereinfachung nur eine Anzahl erfahrner und 
würdiger Männer zu diesem Geschäfte auserwählt (später Schöffen genannt), 
an ihrer Spitze stand der eigentliche Richter; dies war das niedrigste oder 
Gemeinde-Gericht für minder schwere Vergehen oder Verletzungen, der 
Vorsteher hieß auch Dekanus. Ein zweites war das Cent-Gericht, der 
oberste Richter hieß Centenarius und war Vorsteher, wohl nicht immer 
über hundert, aber doch über viele Weiler und Gemeinden; da wurden schon 
wichtigere Gegenstände verhandelt, Käufe abgeschlossen, Tausche, Vergebungen 
u. s. w. vorgenommen, größere Streitigkeiten entschieden und bedeutendere Ver¬ 
gehungen bestraft; doch konnte nicht über Leben und Tod, oder Verlust der 
persönlichen Freiheit abgeurtheilt werden. Ein viel höheres Gericht war das 
Gaugericht, wo der Gaugraf oder sein Vikarius den Vorsitz führte. 
Dieser wurde vom Herzoge als sein Stellvertreter und Beamter eingesetzt, in 
einem Gaue, wo er gewöhnlich seßhaft und begütert war. Die Grafen Weiler 
ans dem Adel genommen, urtheilten über alle bürgerliche und peinliche Leib und 
Leben betreffende Rechtsfälle, über die wichtigsten Gegenstände, Freiheit der 
Personen und Grundeigenthum. Sie mußten überhaupt Ordnung, Ruhe und 
Sicherheit im Gaue erhalten, die Kirchen beschützen, für die Straßen und Rei¬ 
senden sorgen, Gränzberichtigungen durch Umreiten oder Herumführen vorneh¬ 
men, Vergebungen von Gütern an Kirchen, Tausch zwischen Höheren besorgen, 
die Oberaufsicht bei Zweikämpfen führen u. s. w. Zu den großen Gaugerichten 
mußten auch die Dekanen, Centenaren und die freien Gutsbesitzer kommen, der 
Graf selbst erschien nach dem Gesetze in Baiern mit dem Richter, der das 
Gesetzbuch trug und auch in demselben bewandert war, doch unter dem Gra¬ 
fen stand. 
Der höchste Richter war aber der Landesherr, König oder Herzog, er konnte 
überall richten und den Vorsitz führen, war Herr über Leben und Tod. Unter 
Herzog Utilo und Thassilo II. erscheinen auch bisweilen herzogliche Send- 
grafen (missi), welche in ihrem Namen die Provinzen bereiseten, außeror¬ 
dentliche Gerichte hielten, höher als die Grafen standen und zwar nicht diese, 
doch die anderen Richter absetzen konnten. Auch die sogenannten Pfalzgpra- 
fen (comites palatini), welche Verwalter und Richter in herzoglichen Palä-
	        
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