Volltext: Geschichte des Landes ob der Enns. Erster Band (Erster Band 1846)

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sehr kurz darüber. Sie verehren als ihren höchsten Gott den Merkur, dem 
sie auch an bestinunten Festtagen Menschen, besonders Kriegsgefangene, opfern, 
den Herkules und Mars. Sie halten es aber der himmlischen Größe nicht 
angemessen, ihre Götter in Menschengestalt nachzubilden und in Tempel einzu¬ 
schließen, sondern in dem heiligen Dunkel der Wälder verehren sie das nur dem 
Gefühle erreichbare höchste Wesen. Deutsche Stämme im Norden verehren 
gemeinsam Hertha1) (Mutter Erde), glaubend, sie fahre herum zu den 
Völkern. Es befindet sich auf einer Insel des Oceans ein heiliger Hain, und in 
diesem ein geweihtes Fuhrwerk mit einer Decke umhüllt; es zu berühren ist nur 
dem Priester gestattet. Dieser ehrt die Anwesenheit der Göttin im Heiligthume 
und begleitet dieselbe, wenn sie mit Kühen nun dahinfährt, in tiefer Ehrfurcht. 
Das sind Freudentage, es ist Friede überall. Dann, nach manchem Umzuge, 
gibt der Priester die Göttin der geweihten Stätte wieder. Fuhrwerk, Decken, 
und wer es glauben will (sagt Tacitus), die Gottheit selbst, werden in einem ge¬ 
heimen See gewaschen und gebadet; Sklaven verrichten das Geschäft und es 
verschlingt sie sogleich derselbe See. Daher ein geheimes Grauen und eine hei¬ 
lige Scheu zu wissen, was das sei, was nur dem Tode Geweihte schauen. 
Den Willen der Götter erforschen sie durch Loose; sie nehmen den Zweig eines 
Fruchtbaumes und schneiden denselben in kleine Stücke, streuen sie mit gewissen 
Merkzeichen versehen regellos und wie es der Zufall will über ein weißes Ge¬ 
wand aus, dann hebt der Priester des Gaues bei öffentlichen Berathungen, in 
Privatangelegenheiten der Hausvater selbst, nachdem er zu den Göttern gebetet 
und zum Himmel emporgeblickt, diese Stücke auf und deutet nun an, ob ein 
Geschäft zu unternehmen sey oder nicht. Auch der Flug und die Stimme der 
Vögel dienen ihnen zur Wahrsagung, eben so das Wiehern und Schnauben 
gewisser auserlesener weißer Pferde, welche in ihren heiligen Hainen gepflegt 
werden. 
Dieses ist beiläufig das allgemeine Gemälde deutschen Lebens, Handelns 
und Glaubens nach dem berühmten Römer; doch auch er wußte nur wenig, 
und was er sagt, reicht zu einer genaueren Kenntniß deutscher Sitte, und be¬ 
sonders ihrer Religion, nicht hin, welche tief in das öffentliche Leben eingriff. 
Aber selbst dieses Allgemeine blieb nicht unverändert im Laufe der Zeiten und 
im Wechsel der Schicksale; es begann die große Wanderung, mehrere Stämme 
trennten sich, zogen vom Norden mehr westlich vorwärts oder gegen Süden 
der großen Donau zu, ja über dieselbe bis zur hohen Alpenkette hin und selbst 
noch weiter. In den neuen Wohnsitzen in anderen Gegenden und verschiedenem 
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1) Eigentlich Nerthus genannt. 
Pritz Gesch. v. Oberöst. I. 
 
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