Volltext: Die Zigeuner in Ungarn und Siebenbürgen [Band 12]

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Musik uub. Gesang der Zigeuner. 
in diesen Dichtungen dennoch ebenso vielen Vorzügen und Schön 
heiten, die gerade hier, bei einem cnlturlosen Stamme, doppelt 
überraschend erscheinen. Unläugbar hat bei den Zigeunern trotz 
ihres nomadischen Zustandes das Leben unter seßhaften Cultur 
völkern großen Einfluß auch auf ihre Dichtung ausgeübt; die 
eigenen originellen Schöpfungen sind deshalb seltener. Nichtsdesto 
weniger begegnet man manchem eigenthümlichen Jdeengang, trifft 
wahres Schöuheitsgefühl und findet selbst Spuren einer höhern 
sittlichen Weltanschauung. Allerdings ist dabei noch viel primitives 
Herumtappen; aber hie und da entströmt dem menschlichen Herzen 
eine echtmenschliche Empfindung und schafft die Phantasie ein 
Gebilde, das uns den heimatlosen Zigeuner, den jeder Kieselstein 
und jeder Dorn am Wege an sein rauhes Dasein mahnet, als ein 
uns verwandtes Wesen erkennen und bemitleiden läßt. 
Sehen wir durch die Lieder den Völkern ins Herz, so bieten 
auch die Gesänge des Zigeuners einen Einblick in die Seele dieser 
braunen Kinder der Heide und des Waldes, die unbewußt wie das 
Kind ihre Tage dahin leben, die Kraft und Zeit vergeuden, bloß 
dem sinnlichen Genusse ergeben, oft dem Thiere gleich sind, aber 
in ihrer seelischen Tiefe dennoch so manche kostbare Perle besitzen, 
die nur des glücklichen Entdeckers harret. Die geistige, sittliche 
und sociale Rohheit und Verthierung des Zigeuners ist größten- 
theils das Product der Verlassenheit und Verwahrlosung, in welcher 
dieses Volk (allerdings hauptsächlich nach eigenem Willen) bisher 
gelebt hat und großentheils auch heute noch lebt. Daß dem 
Volke die Anlagen und Fähigkeiten zu einer intensiven und frucht 
bringenden geistigen und körperlichen Thätigkeit nicht mangeln, 
beweist die Erfahrung. Es gilt nur die Maßregeln mit Umsicht 
und weiser Schonung, aber auch mit Strenge, Energie und Aus 
dauer zu treffen und das Resultat wird ein günstiges sein. Der
	        
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