Volltext: Graf Stefan Tisza

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kanten Worten an seine Gegner: „Ich war während meiner 
ganzen öffentlichen Laufbahn bestrebt, in schweren Lagen 
meinen Teil an den politischen Kämpfen zu fordern. Wenn dies 
zur Folge hatte, daß ich manchem politischen Gegner nicht 
sympathisch bin, so habe ich diesen Zustand gewiß nicht her¬ 
beigewünscht, bedauere ihn sehr, muß ihn aber als eine der 
mit dem politischen Leben zusammenhängenden vielen Unan¬ 
nehmlichkeiten gelassen ertragen ... Aber meine Ehre gehört 
mir! Nie habe ich etwas begangen, was irgendjemand das Recht 
geben würde, meine Ehre •— wenn auch in noch so versteckter 
Form — anzutasten.“ 
Tiszas Abneigung gegen die Paktierungspolitik Szells er¬ 
weist sich übrigens in der Folge nur zu bald als wohlbegrün¬ 
det. Der Zaubermeister, der alle Gefahren in wenigen Stunden 
zu bannen wußte, findet sich im Laufe der Monate von einem 
ganzen Ring der neu auf ziehenden Gefahren umklammert. 
Es randalieren die Nationalitäten, die Schwierigkeiten der 
Wirtschaftsverhandlungen mit Österreich stellen das Kabinett 
vor eine überaus heikle Situation. Die Linke verrharrt nicht 
lange in ihrer abwartenden Stellung, allerhand Korruptions¬ 
beschuldigungen werden gegen Regierungsmänner erhoben, 
und exponierte Mitglieder der Linksopposition beginnen nun¬ 
mehr auch gegen die amtliche Außenpolitik Front zu machen, 
gegen den Dreibund zu agieren und mit dem französischen 
Außenminister Delcasse zu verhandeln. Nach solchen Vor¬ 
zeichen bringen die Szell-Wahlen im Oktober 1901, die diesmal 
ohne den Bänffysehen Terror stattfinden, den Oppositions¬ 
parteien einen beträchtlichen Gewinn. 
In einer solchen ohnehin schon verfahrenen Situation 
gelangt der Kampf um die Armeereform erneut zum Aus¬ 
bruch. Die Krone sieht den Augenblick als gekommen an, 
un mit einer Erhöhung des Rekrutenkontingents um jeden 
Preis durchzudringen. Die Zuspitzung der auswärtigen Lage: 
Italiens Mittelmeerabkommen mit Frankreich, das russisch¬ 
bulgarische Schutz- und Trutzbündnis, die Engerknüpfung 
des französisch-russischen Bundes geben den Ausschlag. Der 
ungarische Landwehrminister Fejerväry, ein langjähriger 
persönlicher Vertrauter des Herrschers und treuer Diener 
seines Herrn, unterbreitet dem Abgeordnetenhaus am 6. No¬ 
vember 1902 einen Gesetzentwurf, laut dessen das jährliche 
Rekrutenaufgebot der gemeinsamen Armee um 18.000, das 
der ungarischen Landwehr um weitere 2500 Mann zu erhöhen
	        
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