Volltext: Graf Stefan Tisza

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Tisza stellte sich von allem Anbeginn entschlossen an 
Bänffys Seite, da ein Begime der „starken Hand“ seinem 
Konzept des parlamentarischen Beinemachens sehr entgegen¬ 
kam. Auch nach den berüchtigten „Bänffy-Wahlen“ blieb er 
dem Begierungschef tren. Nicht als ob er eine Form der Ge¬ 
walt, wie sie bei der Wahlkampagne von den Begierungs- 
organen praktiziert wurde, gebilligt hätte. Er selbst ver¬ 
schmähte in der eigenen Begierungspraxis solche extremen 
Mittel des Wahlterrors. Aber er blieb Anhänger des Kurses 
Bänffy, weil er von der Treuga dei während der Millenniums¬ 
tage nicht allzuviel hielt und der Überzeugung war, daß der 
große Entscheidungskampf zwischen den Wortführern von 
1867 und 1848 doch einmal mit Gewalt ausgetragen werden 
muß, soll ein zielbewußtes, realpolitisch veranlagtes Ungarn 
die Oberhand in der Leitung der österreichisch-ungarischen 
Monarchie gewinnen und den Skandalszenen im österreichischen 
Beichsrat ein nach außen imponierendes Gegenstück bieten. 
So kehrt er sich denn, als die oppositionelle Erregung zu 
Beginn 1897 wieder auflebt, mit der alten Schärfe gegen die 
Lärmmacher von links, ja er fügt dem Kolorit seiner früheren 
Ermahnungen noch neue Ergänzungsfarben zu. Es geschieht 
nun zum ersten Male, daß er die Drohung einer Geschäfts¬ 
ordnungsrevision in die Debatte wirft, die in der Zukunft 
alle noch unverbrauchten Leidenschaften aufpeitschen und 
das ungarische Parlament in einen Schauplatz der sinnlosesten 
Exzesse umwandeln soll. „Ich möchte meinen Abgeordneten¬ 
kollegen auf der Gegenseite kurz ins Gedächtnis rufen“ — 
erklärt Tisza in seiner schneidenden Art —, „daß meines Wis¬ 
sens das ungarische Parlament der einzige Ort in der Welt ist, wo 
die Bedefreiheit bisher ohne Einschränkung aufrechterhalten 
werden konnte... Auf dem klassischen Boden des Parlamen¬ 
tarismus, in England, sind in dieser Hinsicht weitgehende 
Maßnahmen getroffen worden... Auch uns könnte eine trau¬ 
rige Zwangslage dazu drängen, mit den Traditionen des unga¬ 
rischen Parlamentarismus zu brechen... Dann müßten wir 
darüber ins Klare kommen, ob wir die Autorität des Parla¬ 
ments zu wahren und ob wir zu garantieren wünschen, daß 
das Parlament wieder seine Pflicht leiste, was in Ungarn mit 
der Frage gleichbedeutend ist, ob wir als ungarischer National¬ 
staat f ortbestehen wollen und die moralische Kraft auf bringen, 
das Odium für die Verfügungen, die die Mißbräuche ver¬ 
hindern sollen, zu tragen.'“
	        
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