Volltext: Graf Stefan Tisza

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reichisch-ungarischen Monarchie stärkt, stärke Ungarn sich 
selbst. Neben den wirtschaftlichen, sozialen nnd kulturellen 
Aufgaben, die im Inneren der Lösung harren, bleibe es in 
der Außenpolitik dem realen ungarischen Machtwillen Vor¬ 
behalten, die Führung an sich zu reißen und der Geltung der 
Monarchie nach Maßgabe der ungarischen Interessen Wege 
und Ziele zu weisen. 
Demgegenüber vertritt die Gegenpartei den Standpunkt, 
eine halbe Selbständigkeit sei eigentlich keine. Bei dem Aus¬ 
gleichswerk von 1867 handele es sich um ein beiderseitiges 
Yerlegenheitskompromiß, das, sowohl im Interesse der Dyna¬ 
stie wie auch in dem der ungarischen Nation, je eher, je besser 
in ein Definitivum umgestaltet werden müsse. Als ein solcher 
endgültiger Zustand wird die reine Personalunion bei sonst 
vollständiger Wahrung der ungarischen Unabhängigkeit ange¬ 
sehen. In Anbetracht des nationalen Chaos und der dyna¬ 
mischen Schwäche der österreichischen Reichshälfte erscheint 
dieser Richtung das Bestehen von gemeinsamen Angelegen¬ 
heiten, zu denen in der Folge auch Zollunion und Bank¬ 
gemeinschaft treten, und namentlich die Einrichtung der 
„Delegationen1“, die als eine Art parlamentarisches Bindeglied 
zwischen den beiden Reichsstaaten aufgefaßt werden kann, 
von allem Anfang an bedenklich. Man findet sich noch zur 
Not bereit, gewisse gemeinsame Herrscherrechte, nicht aber, 
gemeinsame Angelegenheiten zwischen dem österreichischen 
und dem ungarischen Staat anzuerkennen. Die Devise „Los 
von Wien'“ wird auch von solchen verkündet, die sonst mit 
ihrer dynastischen Treue prunken. 
Wer gehörte der einen, wer der anderen Gruppierung an ? 
Es fällt schwer, zwischen den siebenundsechziger Rechts- und 
den achtundvierziger Linksstürmern, gerade, weil weder hin¬ 
ter der einen, noch hinter der anderen Partei kompakte, zu¬ 
sammengehörige Wirtschaftsgruppen stehen, einen klaren 
Trennungsstrich zu ziehen. Vertreter der Aristokraten- und 
Gentryschicht fanden sich hier wie dort, das neue, erst seit 
kurzem ins Land gewanderte Bürgertum suchte nach beiden 
Seiten Anschluß, — das Fehlen eines schlichtenden, auf Reali¬ 
täten eingestellten Mittelstandes, der sich über diesen Wind¬ 
mühlenstreit erhoben hätte, war von störendem Einfluß. Der 
Gegensatz zwischen achtundvierziger und siebenundsechziger 
Plattform war eigentlich weniger Überzeugungs-, denn Tem¬ 
peramentsache. Das alte, historische Draufgängertum der
	        
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