Volltext: Graf Stefan Tisza

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misiert mit dem Lehrsatz Steins, der diesem als Hauptver¬ 
dienst angerechnet wird, daß nämlich die Steuer ihrem Wesen 
nach eine produktive Zuwendung sei. Er meint, diese These 
könnte geradezu als der Hauptirrtum Steins gelten. Man 
möge das Budget eines beliebigen Staates vornehmen, und 
stets werde man finden, daß die Ausgaben überwiegend der 
Befriedigung augenblicklicher Bedürfnisse und nicht der 
Produktion dienen. „Um sonst nichts zu erwähnen'“ — fährt 
Tisza fort —, „die beiden Hauptposten unserer modernen 
Budgets bestehen in der Schuldentilgung und in den militä¬ 
rischen Ausgaben. Der größte Teil der Darlehen ist für den 
Kriegsfall vorgesehen, für diese Zwecke werden Armeen erhal¬ 
ten, obschon doch den wirtschaftlichen Interessen selbst ein 
Krieg von güngstigem Ausgang bei weitem mehr schadet als 
nützt. Zwar ist es eine allgemein gebrauchte Redensart, der 
Krieg schütze das nationale Vermögen. So war es vielleicht im 
Altertum und Mittelalter. Verhält es sich aber auch heute 
noch, unter den gebildeten Völkern des neunzehnten Jahrhun¬ 
derts, so? Würden doch zur Aufrechterhaltung der öffent¬ 
lichen Ordnung die Polizei oder im schlimmsten Falle einige 
tausend Mann Militär hinreichen. Der fremde Eroberer wird 
das Privateigentum nicht antasten, falls er auf keinen bewaff¬ 
neten Widerstand stößt. Armee und Krieg werden von einer 
Reihe edler oder gemeiner Leidenschaften wie Patriotismus, 
Ruhmsucht und Gehässigkeit, keinesfalls aber von dem Ver¬ 
langen zur Förderung der Produktion veranlaßt.“ Auch hier 
zeigen sich wieder L— just wie in den „politischen Briefen“ des 
Fünfzehnjährigen — grundlegende Züge des streitbaren 
Staatsmannes Stefan Tisza, der sämtliche Voraussetzungen 
des geschichtlichen Materialismus in Bausch und Bogen von 
sich weist. 
Wenige Monate nach Beendigung seiner Studienzeit dient 
Tisza sein Freiwilligenjahr bei einem Husarenregiment der un¬ 
garischen Landwehr ab. Nun erst kommt seine „Hippomanie“ 
so recht zur Geltung, und wiewohl uns nur wenig von den 
kleinen und großen Episoden dieses Militärjahres erhalten 
blieb, weiß man doch aus Tiszas eigenem Munde, daß er sich 
hier ganz in seinem Elemente fühlte und sogar den Gedanken 
erwog, bei der Armee zu verbleiben. In der Tat scheint ein 
gedanken- und bedenkenloses Sich-Hineinstürzen in den mag¬ 
netischen Strom der Körperlichkeit, mit sportgestählten Glie¬ 
dern, mit einem ungezügelten Draufgängertum, der eine Teil
	        
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