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rung vielleicht doch zustande gebracht, in oppositioneller Stel¬
lung die österreichischen Absichten zu vereiteln. Doch würde
zwischen Thron und Nation wieder ein Mißtrauen entstehen,
ähnlich wie in der Zeit zwischen 1848 und 1867. Und doch ist
dies gerade in der heutigen Lage sehr zu überlegen, da dieses
Mißtrauen einmal schon zu Magenta und Sadowa geführt hat.
Die Mitglieder der ungarischen Regierung durften sich nicht
dadurch beeinflussen lassen, daß ihr Entschluß etwa ihrer
Volkstümlickeit schaden könnte ..
Wie erkennt man doch in diesen rasch hingeworfenen
Zeilen des Fünfzehnjährigen im Keime bereits die Denkart
des späteren Staatslenkers, der — bis zum letzten Atemzug von
fanatischer Konsequenz — hier schon für die unbedingte Treue
zu dem 1867er Ausgleich plädiert, hier schon die parlamenta¬
rische Regierungsform hochhält und im übrigen den Wert
der Volkstümlichkeit bereits mit der überlegenen Philosophie
eines Vielerfahrenen auf das richtige Maß zu reduzieren
weiß.
Diese Frühreife ist indes beileibe nicht die des ewig ler¬
nenden Stubenhockers, der das Leben nur aus der Vogelschau
betrachtet. Trotz der angestrengten Studien der Jugendjahre,
die häufig quälende Kopfschmerzen verursachen, wirft sich
der junge Tisza mit der ganzen unverwüstlichen Fülle seines
kerngesunden Lebensinstinktes auch in den Strudel irdischer
Freuden, tanzt, musiziert, hat eine besondere Vorliebe für
Csardas und ungarische Volksweisen und ist schon in der
frühesten Jugend den verschiedensten Sportarten leidenschaft¬
lich und in der vornehm-ausdauernden Haltung des geborenen
Sportsmannes ergeben. Schon als Knabe bewährt er sich als
ausgezeichneter Reiter und erklärt als angehender Jurist,
einer wahren „Hippomanie1“ verfallen zu sein. Auch zeichnet
er sich von kleinauf im Fechten aus und weilt, zum Unter¬
schiede von späteren Jahren, da ihn sein Augenleiden daran
hindert, gern auf der Jagd, behauptet, in den Augen der Ha¬
sen ein förmliches „Flagellum dei“ zu bilden. Nimmt man
hinzu, daß der Junge täglich ein, zwei Stunden ganz gerne
Karten spielt und auch kulinarische Freuden nicht verachtet,
so empfängt man das Bild einer seltenen Vitalität, in der sich
Lerneifer und Lebensfreude von allem Anfang zu fruchtba¬
rer Aktivität vereinen.
Wie reagiert dieses so mannigfach rege Temperament in
den Pubertätsjahren auf erotische Eindrücke? In Sachen der