Volltext: Graf Stefan Tisza

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tschechischen und rumänischen Kameraden einvernehmlich die 
Köpfe zusammen. „Dem ist’s recht geschehen“ — bestärkt 
man sich gegenseitig ■—, „ihm können wir den ganzen Jammer 
verdanken.“ Die Genugtuung über die Hinrichtung des ge¬ 
meinsamen Feindes vereinigt noch einmal flüchtig die werden¬ 
den Feinde. 
In ergrimmtem Kampfe gegen den Mann, der in uner¬ 
müdlichem Heimatsdienst stets seine eigenen Wege ging, ist 
das Werk des Hasses vollendet. Bleich und blutig liegt Tisza 
auf der stillen, nur von den intimsten Freunden aufgesuchten 
Bahre des Stadtwäldchenheims. Die Witwe weicht keinen 
Augenblick von dem Toten, hält seine Hand krampfhaft um¬ 
klammert. 
Nun, da das Edelwild zur Strecke gebracht, darf sich der 
wilde Jäger in der Geste einer späten Humanitätsduselei gefal¬ 
len. Als Haupt der neuen Regierung sendet Graf Michael 
Kärolyi der trauernden Familie ein schwülstiges Beileids¬ 
telegramm, in dem er den Ermordeten als „den Größten seiner 
politischen Gegner“ bezeichnet. Gleichzeitig läßt er durch 
seinen Adjutanten einen Kranz überreichen, der von Tiszas 
Angehörigen entrüstet abgelehnt wird. 
Selbst gegenüber dem Toten will die Empörung des irre¬ 
geführten Pöbels nicht innehalten. Sogar die Angestellten des 
Bestattungsunternehmens werden von ihr mitgerissen. Sie wei¬ 
gern sich, die Leiche in den neuen Sarg umzubetten, dessen 
Beschaffung sich als nötig erweist, da sich der ursprünglich 
beigestellte nicht schließen läßt. Einige von der nächsten Um¬ 
gebung des Verstorbenen entledigen sich dieses traurigen Am¬ 
tes, ängstlich darauf bedacht, daß die Schußwunden nicht auf¬ 
brechen und die auch bei diesem Akte anwesende Witwe von 
unerträglichen Erschütterungen verschont bleibe. Während 
der Leichenfeier, der nur zu viele von Tiszas alten Freunden 
fernbleiben, tobt und lästert vor der Villa der aufgescheuchte 
Mob. Nach stundenlangem Zögern wird schließlich der Sarg 
von einigen Angehörigen und Mitarbeitern Tiszas: dem Gra¬ 
fen Gedeon Räday, dem Baron Bela Radvänszky, dem alten 
Finanzminister Johann Teleszky, den werdenden Ministern 
Graf Kuno Klebelsberg und Iwan v. Rakovszky und den treuen 
Sekretären Andreas v. Latinovits und Ludwig v. Keblovszky, 
auf die Schulter gehoben, durch das Hintertor der Villa ent¬ 
fernt und auf Umwegen zum Bahnhof befördert. 
Drei Tage nach der tragischen Begebenheit tritt Tisza die
	        
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