Volltext: Graf Stefan Tisza

Gegensätze, zur Schaffung der großen Parteikonzentration ist 
gekommen. Arm in Arm betreten die alten Rivalen Tisza und 
Ändrässy ihr gemeinsames Zugsabteil, Der Groll, den Tisza 
während der Wahlrechtsdebatte empfand, ist an der Front 
längst wieder verraucht, er leugnet es Journalisten gegenüber, 
die diese Freundesidylle verwunderlich finden, jemals von 
Ändrässy durch ein Gefühl persönlicher Feindschaft getrennt 
gewesen zu sein. Nun soll die Versöhnung' auch politisch 
besiegelt werden. Tisza hat vor, den bisherigen Gegner für 
die außenpolitische Leitung zu empfehlen. Die Außenminister- 
Schaft Burians hat er zum Überdruß satt bekommen,, er mi߬ 
billigt aufs schärfste die Politik, die Burian *—„sich von dem 
Einfluß Tiszas immer mehr lossagend ■— zuletzt in der polni¬ 
schen, und südslawischen Frage im Gegensätze zu den ungari¬ 
schen Aspirationen verfolgt' hat, seine jüngsten Friedens¬ 
schritte aufs Geratewohl, durch die Tisza das Prestige der 
Monarchie im Feindesurteil nur noch weiter herabgewürdigt 
sieht. 
Von Wien kehrt Tisza, der Ewiggleiche im parlamentari¬ 
schen Dauerkampf von annähernd dreißig Jahren, als ein 
politisch Gewandelter heim... Die Erfahrungen, im österreichi¬ 
schen Hexenkessel, die Luft der Auflösung, die er in der 
Kaiserstadt atmete, nötigen ihn, das politische' Evangelium 
seines bisherigen Lebens wie ein abgetragenes Kleid von sich 
zu streifen, da - er es nun für sein Vaterland für wertlos 
erkannte. In der Rede, die er am 10. Oktober in der Nationalen 
Arbeitspartei hält, behandelt er den Dualismus offen als eine 
überholte Staatsform.. Die Entwicklung der österreichischen 
Innenverhältnisse — führt" er aus -— habe die Frage der 
künftigen Gestaltung ■ der Beziehungen zwischen Österreich 
und Ungarn in den Vordergrund gestellt. Die Prämissen des 
Ausgleichs von 1867 seien von Grund aus erschüttert. Ver¬ 
wirklichen sich die Befürchtungen, die zur Stunde jedermann 
hegt, so müsse sich die Aufrechterhaltung des Dualismus als 
unmöglich erweisen, und aller ungarischen Patrioten harre 
dann die gemeinsame Aufgabe, die tausendjährige Unabhän¬ 
gigkeit des Landes auf einer neuen Grundlage zu wahren. 
Die Abkehr von 1887, von dem Vermächtnis Franz Deäks, 
die Tisza während seiner ganzen' politischen Laufbahn als ein 
verderbliches Phantom wirklichkeitsfremder Devisenpolitiker 
mit blutigem Emst bekämpft hat, — sie wird nun in der 
Stunde tiefster nationaler Not für ihn zu tragischer Realität.
	        
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