Volltext: Graf Stefan Tisza

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Leibblatt „Az Ujsäg“ als eine Entgleisung, den Erzherzog 
Joseph überhaupt in Kombination gezogen zu haben, wiewohl 
doch für die Krönungsfunktion laut der Verfassung der 
Ministerpräsident zuständig sei, nachdem Tisza bereits vorher 
in einem persönlichen Schreiben an den Erzherzog Joseph die 
Motive dargelegt hat, die ihm das Festhalten an der Ausübung 
der Krönungsfunktion gebieten. Am gleichen Tag parentiert 
Tisza seinen verstorbenen König im Abgeordnetenhaus, ge¬ 
denkt seiner als des personifizierten Staatsinteresses, für den 
keine anderen Rücksichten gegolten haben, rühmt sein außer¬ 
gewöhnliches Pfiichtbewußtsein, das ihn selbst in der letzten 
Stunde nicht verließ, als er agonisierend den alltägli¬ 
chen Befehl erteilte, ihn nächsten Morgen um vier Uhr 
zu wecken. 
Zum Quell einer zweiten Streitigkeit wird die Textierung 
des sogenannten „Inauguraldiploms“, des Dokumentes, auf 
Grund dessen der König den Eid zu leisten hat. Die Opposi¬ 
tion versucht alle ihre seit vielen Jahren gehegten nationalen 
Wünsche in dieses Diplom zu fassen: die erweiterte Unabhän¬ 
gigkeit Ungarns, eine besondere ungarische Hofhaltung, die 
Erziehung des Thronfolgers in ungarischem Geiste und noch 
manches andere. Sodann aber entladen sich die Gegensätze in 
der Krönungsfrage in ein regelrechtes parlamentarisches 
Hagelwetter. Apponyi meldet den Protest der Opposition 
gegen die Kandidatur des Mannes an, der die Minoritäts¬ 
parteien so oft und so schwer herausgefordert hat. Das Land 
dürfe aus diesem solennen Anlaß keinem wüsten Parteikampf 
ausgesetzt werden. Er leugnet kategorisch, daß der Minister¬ 
präsident durchaus krönen müsse, wünscht eine „politische 
Wechselwirtschaft“ und mehr Rechte für die oppositionellen 
Parteien, protestiert dagegen, daß „die Heilige Stefanskrone 
mit robusten Gewaltsmitteln zur Beute der Sieger gemacht 
werde“. Im Namen der Regierungspartei stellt sich Graf 
Khuen-Hederväry auf die Seite des Ministerpräsidenten. Seine 
Argumente übertönt aber das Konzert passionierter Zwischen¬ 
rufer, die Tisza alle seine alten und neuen Sünden vorwerfen. 
„Er hat Siebenbürgen preisgegeben“, — schreit empört der 
eine. — „Was kostete die Wahl in der Budapester Inneren 
Stadt — witzelt der andere, mit Anspielung auf die 
1905 stattgefundene Wahlschlacht zwischen Tisza und 
Andrässy. 
Die heikle Ffage, ob Tisza oder der Erzherzog Joseph
	        
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