Volltext: Graf Stefan Tisza

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zwischen den Verbündeten die große Losung ist, das alte, 
blendende Schlag wort des selbständigen ungarischen Zoll¬ 
gebietes in die Debatte. 
Gegen eine solche Anrempelung weiß sich Tisza gefeit. 
Indem er es als seine Pflicht hinstellt, die Aktionsfähigkeit der 
Monarchie auch für die Zeit nach dem Kriege von der wirt¬ 
schaftlichen Seite zu sichern, plädiert er wieder leidenschaft¬ 
lich für das Durchhalten bis zum endgültigen Siege. Er debat¬ 
tiert über die Kriegsverantwortung mit Lord Grey, dem er 
vorwirft, bei seinen Friedensvermittlungen im Juli 1914 Ru߬ 
land gegenüber keine freie Hand gehabt zu haben. Es handle 
sich um keinen einseitigen deutschen, sondern um einen euro¬ 
päischen Militarismus, — führt Tisza weiter aus und hebt 
Deutschlands defensive und konservative Außenpolitik vor 
dem Kriege hervor. An die Opposition richtet er die Ermah¬ 
nung, auch ihrerseits dazu beizutragen, daß Ungarn innerpoli¬ 
tisch gestärkt aus dem großen Ringen hervorgehe. „Darf die 
ungarische Öffentlichkeit die Rolle Rip van Winkles überneh¬ 
men und die große Epoche dieser welterschütternden Ereig¬ 
nisse durchschlafen, um nach dem Krieg dort fortzusetzen, wo 
man bei Kriegsbeginn stecken geblieben ist?“ — fragt er vor¬ 
wurfsvoll. Auch die von der Opposition verschiedentlich 
gestellte Frage der Agrarreform beschäftigt ihn in diesem 
Zeitabschnitt. Er trachtet, die von der Gegenseite geltend 
gemachten Argumente gegen die Alleinherrschaft des Gro߬ 
grundbesitzes zu zerpflücken. Er bewertet es als erfreuliche 
Symptome, daß nahezu die Hälfte des gesamten Grundbesitzes 
sich in den Händen von Eigentümern befinde, die über einen 
Besitz von bloß 5 bis 50 Katastraljoch verfügen, daß sich der 
Umfang des Großgrundbesitzes in den letzten zwei Jahrzehn¬ 
ten wesentlich verringert habe und daß auch die Mehrzahl der. 
landwirtschaftlichen Arbeiter Besitzer von Zwerggütern seien. 
Immerhin werde man sich in der Kriegsfolge einer gemäßigten 
Reform nicht verschließen können, doch wäre es eine 
der bittersten Erfahrungen seines Lebens, wenn er sich davon 
überzeugen müßte, „daß das Prinzip der freien Wirtschaft auf 
dem Gebiete der ungarischen Agrarpolitik in Konkurs geraten 
sei“. Es ist immer noch der alte Tisza, dessen konservative 
Weltanschauung von den Grundsätzen des wirtschaftlichen 
Liberalismus nicht loszulösen ist. 
Mittlerweile haben die Erfolge der Brussilow-Offensive, 
durch die die Bukowina und Ostgalizien erneut in russischen
	        
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