Volltext: Graf Stefan Tisza

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Reihen die verschiedensten Stände und Korporationen vertre¬ 
ten sind und die nicht bloß die Gefühle homagialer Ergeben¬ 
heit zum Ausdruck bringen, sondern auch die Beilegung der 
alten Gegensätze zwischen österreichischer und ungarischer 
Reichshälfte versinnbildlichen soll. Sein Versprechen, die Geg¬ 
ner über die außenpolitischen Probleme auf dem Laufenden 
halten zu wollen, hält Tisza redlich: im Rahmen einer beson¬ 
deren Konferenz bespricht er mit ihnen die Schwierigkeiten 
der polnischen Frage. Ein amerikanischer Journalist, 
der Tisza in diesen Tagen interviewt, schildert ihn als den 
größten und stärksten Mann Ungarns bereits vor dem Kriege, 
den der Krieg noch stärker gemacht hat und dessen Erschei¬ 
nung mehr an die Biegsamkeit des Stahls als an die Härte des 
Eisens gemahnt. 
Als Ende November das Parlament wieder Zusammentritt, 
sieht Tisza die Quertreibereien des Frühjahrs wiederkehren. 
Doch hat er jetzt einen relativ leichteren Standpunkt, da die 
Lage auf den Kriegsschauplätzen günstig ist, Serbien sich 
bereits zum überwiegenden Teil in den Händen der verbünde¬ 
ten Truppen befindet und in Anbetracht der bulgarischen 
Hilfe nun auch die rumänischen Absichten günstiger beurteilt 
werden dürfen. Seine Stimmung ist zuversichtlicher und ent¬ 
gegenkommender denn jemals zuvor. Er meint, die bulgarisch¬ 
türkische Waffenbrüderschaft habe die Chancen auf dem Bal¬ 
kan ungemein gebessert und auch für Rumänien den Wert 
eines Bündnisses mit den Mittelmächten stark ^erhöht. Die 
objektiven Voraussetzungen für den Frieden seien nach der 
Besetzung Russisch-Polens und der Niederwerfung Serbiens 
bereits gegeben. Was die subjektiven Voraussetzungen betreffe, 
so können diese nur geschaffen werden, wenn man dem Feind 
auch weiter zu imponieren wisse. Der Opposition gegenüber 
schlägt Tisza recht versöhnliche Klänge an. Er behauptet, auf 
einem streng überparteiischen Standpunkt zu stehen und ehr¬ 
lich bestrebt zu sein, die Oppositionsführer über alle akute 
Fragen genau zu informieren. Allerdings wolle er ihnen die 
Sorge um Entscheidungen nicht aufbürden, da gerade in die¬ 
sen schweren Zeiten die Verantwortung nicht unter zu viele 
geteilt werden soll. 
Trotz aller rosig gefärbten Situationsberichte und Per¬ 
spektiven findet man jedoch auf der Linken immer wieder 
besondere Anlässe zum Ärgernis. Die Bemühungen langer 
Monate, die Tisza der Neuregelung der k. u. k. Wappenfrage 
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