Volltext: Graf Stefan Tisza

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ruhen. Rakovszky stellt den Antrag, daß die Soldaten, die 
sich auf dem Kriegsschauplätze ausgezeichnet haben, unter 
allen Umständen des Wahlrechtes teilhaftig werden. Das will 
ein versteckter, aber höchst gefährlicher Angriff gegen Tiszas 
Politik sein, der — einerseits mit keiner Anerkennung für die 
tapferen ungarischen Soldaten kargend, andererseits aber in 
der Wahlrechtsfrage für alle Zukunft durch unumstößliche 
Grundsätze gebunden — an diesem! Widerspruch straucheln 
soll. Tisza merkt gleich im ersten Moment deutlich die Falle, 
die man ihm hier zu stellen sucht. Aber treu seiner alten, ein¬ 
gefleischten Gewohnheit, strengt er sich auch nicht im 
mindesten an, die Klippen des Problems zu umsegeln, sondern 
steuert gleich auf den Kern der Frage los. Er zollt den 
Kriegshelden alles Lob, bestreitet jedoch, daß die Gewährung 
des Wahlrechtes als irgendeine Belohnung auf gef aßt werden 
könnte. Es handle sich bei der Ausübung des Wahlrechtes 
vielmehr um einen „staatlichen Auftrag“, bei dem nur das 
öffentliche Interesse ausschlaggebend sei. Abgesehen davon, 
daß die Verquickung der Wahlrechtsfrage mit der Tapferkeit 
vor dem Feind eine ungerechte Zurücksetzung derjenigen 
bedeuten würde, die aus physischen Gründen daheimbleiben 
mußten, wäre die Verleihung einer solchen Gunst an einen 
Teil der Kriegsgedienten der erste Schritt zur Einführung 
des allgemeinen Wahlrechtes, die Tisza nach wie vor als ein 
„nationales Unglück“ vorschwebt und gegen die doch auch 
der überwiegende Teil der Opposition Bedenken hegt. Tisza 
glaubt durch diesen Hinweis die Frage wieder entaktualisiert 
zu haben. Aber sie schwindet nicht mehr von der Tages¬ 
ordnung nud wird in einem kritischen Kriegsabschnitt zum 
Quell unheilvoller Verwicklungen. 
Auch der aus der französischen Internierung eben heim¬ 
gekehrte Graf Michael Kärolyi tritt wieder in Aktion. Er 
begnügt sich nicht mit vagen Anspielungen, er holt zum 
unverblümten Angriff aus und schleudert gegen die Regierung 
eine ganze Kette der Beschuldigungen. Er spricht von einem 
Mißtrauen, das sich bereits in sämtliche Bevölkerungsschichten 
eingenistet habe, macht das Kabinett für die vielen Fälle des 
Hochverrates in den Reihen der Nationalitäten, für ver¬ 
schiedene Anomalien der Wirtschaft verantwortlich und for¬ 
dert eine Ausdehnung der nationalen Rechte und des Wahl¬ 
rechtes zugleich. Tisza antwortet recht behutsam, appelliert 
än die sich bisher so glänzend bewährenden Instinkte der
	        
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