Volltext: Graf Stefan Tisza

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hemmen. Er läßt es hiebei auf einen kurzen Abstecher von der 
Vergangenheit in die Gegenwart ankommen, um dieselbe Kurz¬ 
sichtigkeit auch im Falle des französisch-russischen Bündnis¬ 
ses zu konstatieren, das doch nach der so oft verlautbarten An¬ 
sicht des Politikers Tisza ebenfalls gegen gewisse nationale 
Bestrebungen auf dem Balkan gerichtet ist. „Die deutsche 
Nation war 1870 zur Einheit reif“ — erklärt er kurz 
und bündig. Und er knüpft an diese Feststellung die 
Rechtfertigung eines Krieges, den nicht Hochmut oder Er¬ 
oberungssucht, sondern die patriotische Entschlossenheit zu¬ 
standebrachte, „um durch Einsatz der gesamten Existenz alle 
Hindernisse der nationalen Einheit, Unabhängigkeit und 
freien Entwicklung aus dem Weg zu räumen“. Die Schuld 
für den deutsch-französischen Krieg schiebt er ausschließlich 
der französischen Militärpartei zu, der sich Napoleon fügen 
muß. Über Bismarck aber heißt es: „Daß das deutsche Volk 
im Augenblick der Entscheidung derart geeinigt, befreit, or¬ 
ganisiert, seine gesamte Kraft in die Waagschale des Schick¬ 
sals werfen konnte, ist in erster Reihe das Verdienst dieses 
großen Staatsmannes, der von den ersten Anfängen seiner 
politischen Laufbahn an mit der Voraussicht des Propheten, 
mit der kühl-sezierenden Vernunft des Naturforschers, mit 
dem hehren Schwung des Genies und der glühenden Heimats¬ 
liebe des Patrioten diesem Ziele zusteuerte“. 
Diese Geschichtsperiode von Königgrätz ab steht dem 
siebenundsechziger Politiker zeitlich überhaupt besonders nahe. 
Auch weitere Abhandlungen, so eine Betrachtung über die 
Tragik des Feldmarschalls Benedek und Randbemerkungen 
zur geschichtlichen Rolle des älteren Andrässy, bewegen sich 
in diesem Zeiträume. Ein zweiter historischer Gedankenkreis, 
der den enragierten ungarischen Parlamentarier ständig be¬ 
schäftigt, ist die Entwicklung des englischen Parlamentaris¬ 
mus. Da nimmt er die Rechtseinschränkungen, die sich das 
englische Oberhaus 1912 gefallen lassen muß, zum Anlaß, um 
Streiflichter auf die Sendung dieser Körperschaft in der Ver¬ 
gangenheit zu werfen, und indem er das Haus der Pairs etwas 
vorzeitig parentiert, prägt er den Satz, der vielleicht mehr als 
alle Aphorismen des Parlamentsredners seinen Quell in den 
Tiefen des Tiszaschen Charakters hat: „Für den in seinem 
Mannesstolz Verletzten ist der Heldentod ein anziehender Ge¬ 
danke“. Mit seinem politischen Gegner ohne Grund und Un¬ 
terlaß, dem jüngeren Grafen Andrässy, läßt er sich aber in
	        
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