Volltext: Graf Stefan Tisza

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eine weitherzigere Behandlung der Wahlrechtsfrage passieren 
läßt. Die Justhianer klammern sich an die Priorität der Wahl¬ 
reform und lassen sich selbst für diesen Fall in kein binden¬ 
des Versprechen ein. Ein neuer Kampfabschnitt der Obstruk¬ 
tion hebt an, der außer den Anhängern Jusths auch einen 
großen Teil der Kossuth-Partei mit sich fortreißt, während 
Andrässy sich einstweilen noch abwartend verhält. Die neue 
Form der Obstruktion ist noch um vieles wüster und trost¬ 
loser als die vergangener Jahre. Diesmal werden keine langen 
Reden geschwungen, es wird nicht Argument gegen Argument 
ausgespielt. Es handelt sich um die sogenannte „technische 
Obstruktion'“, bei der die Absicht vorherrscht, künstlich Zeit 
zu gewinnen und durch die Herabsetzung des Parlamentes 
auf das Niveau einer seelenlosen Abstimmungsmaschine jeg¬ 
licher meritorischen Verhandlung auszuweichen. Die klein¬ 
lichsten, läppischsten Tricks werden angewendet, um nament¬ 
liche Abstimmungen zu provozieren. Man fordert einen Mehr¬ 
heitsbeschluß, ob dem Urlaubsgesuch dieses oder jenes Abge¬ 
ordneten stattgegeben werden soll, man stellt vor der Tages¬ 
ordnung die unmöglichsten Anträge, die nach einer langen, 
erkünstelten Diskussion wieder durch das umständliche Ver¬ 
fahren einer namentlichen Abstimmung Erledigung finden, 
man knüpft an die belanglosesten Referate lange kritische Ein¬ 
wände und Erörterungen und beantragt immer wieder von 
neuem die Einschaltung von geschlossenen Sitzungen, was 
wegen der Räumung der Tribünen mit einem abermaligen 
Zeitverlust verbunden ist. Das alles mutet eigentlich nur noch 
als eine Persiflage der parlamentarischen Norm, als eine kin¬ 
dische Zirkuskomödie an, bei der die Tölpeleien des dummen 
August über die Darbietungen der Fachkräfte trium¬ 
phieren. 
Nach der kategorischen Erklärung Apponyis, nur eine 
einzige Lösung, nämlich die „selbständige Nationalarmee“, 
anzuerkennen, und nach dem Protest aus den verschiedensten 
oppositionellen Reihen holt Tisza zu einer längeren Rede aus, 
die sich nicht nur an die Köpfe, sondern auch an die Herzen der 
Gegner''kehrt. Wenige Tage vorher hat sein einziger Sohn einen 
schweren Reitunfall erlitten, in dessen Folge er Tage lang 
zwischen Tod und Leben schwebte. Die Wehmut des schwer¬ 
geprüften Vaters mengten sich mit den Sorgen des Politikers 
und Patrioten, und sie ergeben eine mildere Gesamtnote, als 
man von dem alten Befehder des Minoritätenunfugs in diesem 
JjJrenyi: Graf Tisza, 
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