Volltext: Graf Stefan Tisza

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dauern, daß der Ministerpräsident die Kautel des Plural- 
stimmrechts über Bord geworfen habe. Es will das ohne 
Zweifel ein Annäherungsversuch an den alten Antagonisten 
Andrässy sein, der sich jetzt, nach dem definitiven Zerfall der 
Koalition, zu entscheiden haben wird, ob er mit seiner kleinen 
Gefolgschaft als Gouvernementaler oder Oppositioneller fort¬ 
wirken soll. Die feindliche Initiative ging bei dieser Gegner¬ 
schaft nie von seiten Tiszas aus, und er nutzt auch in Zukunft 
jede kleine Kampfpause, um mit Andrässy, mit dem er doch 
theoretisch auf der gleichen Plattform steht, auch eine prak¬ 
tische Übereinstimmung zu erzielen. Im übrigen aber will 
diese Magnatenhausrede vom 24. Januar eine entschlossene 
Abrechnung mit der Koalitionsherrschaft sein. Seit vier Jahren 
hat es keinen rechten Parteikampf mehr gegeben, stellt Tisza, 
der Kampflustige, fest. Er glaubt, daran erinnern zu müssen, 
daß er mit an erster Stelle zu denjenigen gehört habe, die 
durch ihr Abseitsstehen von der Politik diesen kampflosen 
Zustand herbeiführten. Nun sei es aber Zeit, die Lehre aus 
dem Wirken des vergangenen Regimes zu ziehen. Klappert 
die gesamte Staatsmaschine leer, so müsse nun vor allem an ein 
Zurückstellen der alten Kontroversen gedacht werden, um 
überhaupt wieder zu Atem zu kommen. Es fragt sich, ob nach 
den traurigen Erfahrungen der letzten vier Jahre weiter noch 
ein Gegensatz zwischen 1848 und 1867 konstruiert werden 
dürfe? Nichts wäre verfehlter, als den Unabhängigen einen 
Vorwurf machen zu wollen, wenn sie endlich zur besseren 
Einsicht gelangen und ihre alten Anschauungen an den Nagel 
hängen. Das praktische Leben sei und bleibe doch stets der 
beste Lehrmeister. Bisher habe ihnen der Mut zum Bekennt¬ 
nis ihrer Irrtümer gefehlt. Endlich müsse aber doch der Punkt 
aufs „i“ gesetzt werden. Man könne vernünftigerweise nur 
eine politische Überzeugung haben, zwei sei entschieden eine 
„embarras de richesse“. Der achtundvierziger Standpunkt 
sei überholt. Es stehe nicht dafür, wegen der Bankfrage die 
Zukunft aufs Spiel zu setzen. „Ich habe die herzerschütternde 
Genugtuung“ — so schließt Tisza —, „daß nun selbst etliche 
meiner ehemaligen Feinde behaupten, ich habe recht behalten. 
Gott möge mir diese Genugtuung nie wieder geben!“ 
Im Magnatenhaus scheint man mit den neuen Verhält¬ 
nissen ohne weiteres einverstanden. Aber das Abgeordneten¬ 
haus ist doch noch nicht so weit zur Vernunft gebracht, um 
die Wiederkehr der alten politischen Richtung zu billigen.
	        
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