Volltext: Graf Stefan Tisza

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schicken läßt. Und Khuen-Hederväry eignet sich durch seine 
konziliantere, sachte sondierende Art ganz hervorragend zu 
der Aufgabe einer solchen Vorhut, die das Kampf terrain erst 
auskundschaften soll. Denn ohne Kampf wird es trotz allen 
abkühlenden Erfahrungen der jüngsten Jahre auch diesmal 
nicht abgehen können, das ist Tiszas, des unermüdlichen 
Kämpfers, feste Überzeugung. Er will erst die feindlichen 
Kräfte ausreifen lassen, um dann in voller Rüstung den Nah¬ 
kampf zu riskieren. 
Vorerst aber gibt es für Tisza, den Keaktivierten, auch 
aus dem Hintertreffen genug zu vollbringen. Die als Wrack 
noch immer beisammenhockende Gesellschaft der Koalitions¬ 
männer will auseinandergetrieben, der Kehricht der vergange¬ 
nen Herrschaft aus dem Weg geräumt, ein neues politisches 
Kampfinstrument geschaffen werden. Überdies steht noch die 
Austragung eines besonderen, internen Kampfes bevor. Die 
Devise des erweiterten Wahlrechtes ist nun einmal mit aller 
Wucht ins öffentliche Bewußtsein getragen, ein Zurücktanzen 
zum alten Zustand ist nicht mehr möglich, — soviel steht 
auch in den Augen Tiszas fest. Er wird sich einer Wahlre¬ 
form — einer sehr bedächtigen, einer von allerhand Kautelen 
sehr stark umzingelten freilich — in Hinkunft nicht weiter 
verschließen dürfen. Aber in der Wahlrechtsfrage besteht 
auch eine Kluft zwischen Tisza und manchen seiner alten 
Parteigenossen, und diese Kluft war es in erster Reihe, an 
der die Liberale Partei zerschellte. Bis sich in diesem Belange 
nicht ein klar umrissenes Aktionsprogramm herauskristalli¬ 
siert, das ein Zusammengehen der Konzessionsbereiten und 
Beharrlichen ermöglicht, scheint ein Überantworten der Re¬ 
gierungsgeschäfte an minder exponierte Männer ratsam. Und 
es ist bei dieser Verteilung der Rollen gar nicht so übel, daß 
Graf Khuen-Hederväry sich als ein gemäßigter Reformen¬ 
spender gebärdet, während Tisza ihm gegenüber den Rechts¬ 
opponenten hervorkehrt, dem auch noch das Wenige als zu 
viel erscheint. 
So verhalten sich die Dinge am 24. Januar, als Khuen- 
Hederväry im Magnatenhaus seine Regierungserklärung ab¬ 
gibt, in der zuvörderst das Versprechen einer Wahlreform, 
diesmal ohne Andrässys Pluralidee, enthalten ist. Tisza äußert 
über diesen Teil des Regierungsprogramms seine Enttäuschung. 
Er läßt durchblicken, dem Wahlrechtsentwurf Andrässys über 
diesem Projekt immer noch den Vorrang zu geben und zu be¬
	        
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