Volltext: Graf Stefan Tisza

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und die Position seines Urhebers trotz der anhaltenden 
Feindseligkeit der ganzen Atmosphäre unzweifelhaft stärkt, 
wogegen er ihm in Wien manche Gegner schafft und namentlich 
den Thronfolger, der sich immer angelegentlicher mit den 
Problemen der aktuellen Politik beschäftigt, gegen ihn auf¬ 
bringt. 
Aber die Obstruktion erfährt durch dieses Zwischenspiel 
doch keine Unterbrechung, und Tisza findet schon zwei Tage 
später Anlaß, die kindische Verschleppungstaktik der Oppo¬ 
sition zu geißeln, mit der sie ganz belanglose Anträge zu 
gleicher Zeit an vier Ausschüsse zu weisen versucht oder das 
Sitzungsprotokoll wegen orthographischer Fehler beanstandet. 
Nun läßt Tisza keine Zweifel mehr darüber auf kommen, daß 
es ihm mit der Geschäftsordnungrevision bitterer Ernst sei. 
Um die Obstruktion auf die Knie zu zwingen, stellt er den 
Antrag auf Parallelsitzungen am Vor- und Nachmittag. Ein 
an und für sich harmloser Antrag, der aber gefährlich wird, 
sobald er sich gegen die Taktik der Gegner kehrt. Seine fried¬ 
liche Durchsetzung erscheint aussichtslos, da laut der Ge¬ 
schäftsordnung auf Wunsch einer bestimmten Zahl von Abge¬ 
ordneten selbst der geringfügigste Antrag zur Debatte zuge¬ 
lassen werden muß. Kann aber gegenüber einer obstruieren¬ 
den Minderheit die Revision der Geschäftsordnung anders als 
durch Verletzung dieser Geschäftsordnung durchgefochten 
werden? Der Antrag über die Parallelsitzungen wird auf 
kurzem Wege angenommen. Darob natürlich die hellste Em¬ 
pörung, man lärmt und zetert, als wäre in der Rechtsverletzung 
die Regierung vorangegangen. Apponyi nimmt die Gelegen¬ 
heit wahr, um mit seiner Gefolgschaft von 25 Mann nunmehr 
die Regierungspartei zu verlassen, in der er sich seit Amtsan¬ 
tritt des Kabinetts Tisza nicht mehr zurechtfand. 
Es wird nun sozusagen bei Tag und Nacht verhandelt. 
Tisza tritt in sehr vehementer Form für seinen Standpunkt 
ein und will von abermaligen Paktierungsvorschlägen, mit der 
Berufung auf die traurigen Erfahrungen seiner Vorgänger, 
nichts wissen. Ein weiteres Feilschen lehnt er entshieden ab, 
doch ist er zur Demission gerne bereit, wenn es nur seine 
Person ist, die der Geschäftsordnungsrevision im Wege steht. 
Die Skandale häufen sich, ehrenrührige Ausdrücke werden 
gegen die Regierung geschleudert, man unterbricht Tisza fast 
bei jedem Wort. „Will diese Nation nicht zugrundegehen“ ■— 
donnert er den Gegnern entgegen, als er sich endlich Gehör 
Er6nyi: Graf Tisza, 
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