Volltext: Milde Beiträge zur Sitten- und Kunstgeschichte (1)

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Dr. Josef Salzmann. 
Amerika mit jedem Tage widerlicher wird, liegt sicher nicht in meiner 
Schuld, denn ich bleibe ja noch stets, wiewohl ich den Magnet nur da— 
durch an diesen rauhen Boden mich ankleben mache, daß ich ihn in die 
nächste Berührung und Betrachtung mit Gott und Ewigkeit bringe; es ist 
somit nur eine übermenschliche Kraft, die mich hält, und laßt uns beten, 
daß sie nicht reiße vor der Zeit. 
Was nun das Maß dieser Zeit betrifft, das steht rein bei Gott, nicht 
bloß als dem Herrn aller Zeit, sondern auch, da von seiner Gnade allein 
abhängt der feste Bestand und Fortbestand unseres Seminariums“ Wir 
danken Gott mit aufgehobenen gefalteten Händen für seinen bisherigen 
Segen; denn trotzdem die Zeiten hier seit 20 Jahren nie so schlecht waren 
— wir stehen noch — die Anzahl der Zöglinge nimmt zu (52 im Hause 
und 1 krank bei seinen Eltern) und am 29. Jänner 1860 sollen 16 die 
Priesterweihe empfangen. Sind einmal diese stationiert, dann hoffe ich 
eine große Erleichterung durch deren Mithilfe. 
Unsere Schuldenmasse verringert sich immerhin etwas, von 18.000 auf 
7000 — aber der Ausbau der schönen Kapelle und des Gebäudes selbst 
fordert immer noch 6000 — und die innere Einrichtung ist noch bedeutend 
dürftig. Ich brauche deshalb noch gewiß 3 Jahre, um freier zu atmen; 
denn der Unterhalt so vieler, meist ganz armer Studenten (draußen nennt 
man's Freiplätze — und wir haben derlei weit über die Hälfte, verschlingt 
oviel von den Kollekten — und die Interessen sind hoch; doch hab' ich 
meinen Kredit noch stets aufrecht erhalten. 
Aber wie sehr muß es mich befremden, daß Oesterreich noch gar nichts 
beigeholfen hat, wo doch gerade unser Seminar vorzugsweise deutsch ist 
und ja die Auswanderung der Oesterreicher eher zu⸗ als abnimmt, wiewohl 
ich keinem hiezu raten will. Ich kann dies nur im Stillen beklagen, denn 
ich hab's zu büßen und herumzulaufen ums tägliche Brot so vieler 
Studierenden; denn wollten wir bloß Bemittelte aufnehmen — sie haben 
selten Beruf, noch seltener Lust — und sowie draußen viele Eltern sündigen 
dadurch, daß sie ihre Söchne ins Sanktuarium drängen: so hingegen hier 
viele, daß sie Kinder mit Beruf zurückhalten — wegen frühen Erwerbes. 
Gott wird auch weiterhin helfen und ich geh' in 4 Wochen nach dem 
großen St. Louis zur Kollekte (es ist dies die einzige große Stadt, in die 
ich meinen Wanderstab noch nicht gesetzt habeJ). 
Ebendeshalb geb' ich Ihnen, lieber Herzensfreund, Zeit zur Antwort 
bis 3. Mai — denn sofort dann muß ich wieder fort wegen Osterbeicht 
für einige Gemeinden im westlichen Wisconsin, wo ich dann stets auch 
kollektiere; aber am Vorabend des 3. Mai hoffe ich, im Besitze Ihres und 
anderer Schreibens zu sein. 9* 
Betreffs anderer Verhältnisse — ach, Herrn Urbaneks Tod und 
Todesart — ich sollte nicht trauern, denn ich denk' ihn bereits unter den 
Verklärten — trotz seiner großen Aengstlichkeit auf Reisen — Gottes Wege 
sind unausspürbar! Ich hab' den lebendigen Trost-Fürbitter im Himmel, 
denn Gott hat mich gewürdigt, ihn nach Amerika zu bringen und er 
wirkte segens reich. Er sprach so häufig von Herrn Haßreidter und Ihrer 
letzten Mitfahrt nach Obernberg. 
P. Fabian ist seit 17 Monaten an der St. Marienkirche Milwaukees 
(mein früherer Platz); ich ließ nicht nach, diesen wichtigen Posten mit dem 
zjuten Pater zu besetzen, nachdem in der Zwischenzeit viel Unangenehmes an 
sener Kirche vorgefallen war. Ich sehe ihn oft — und meine Mitprofessoren 
helfen ihm aus — ich selbst kann selten — da die Sonntage mir am 
geeignetsten sind zur Erwärmung für Kollekte. P. Fabian ist schwach am 
Körper, kräftig an Geist und erschöpft sich durch zu lang und oft Predigen. 
Herr Wiesbauer wird diesen Sommer eine der allerschönsten Kirchen 
Wisconsins vollenden, wenn er noch einige Kapitalien aufnehmen kann, 
wozu Hoffnung vorhanden — und am 8. September oder gewiß Dezember
	        
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