Volltext: Milde Beiträge zur Sitten- und Kunstgeschichte (1)

Von der alten und neuen Schule. 
7 
leiter haben heutzutage wie in alter Zeit auch an manchen 
Orten manche unangenehme Eigenschaft und müssen die unter— 
stehenden Lehrer manches Unangenehme hinnehmen, wie die 
tägliche Erfahrung lehrt. 
Aber der Lehrer mußte die Glocken läuten. Nur gemach! 
Der Lehrer war Mesner und der Mesner mußte fuͤr das 
Läuten sorgen. Das stand nirgends geschrieben, daß er selbst 
bäuten müsse. Es genügte, daß geläutet wurde. Aber die 
Unterlehrer mußten läuten. Dazu hat sie nicht der 
Pfarrer verhalten, sondern der Schullehrer. Es gab 
Schullehrer, welche ihre Unterlehrer läuten ließen und gab 
solche, welche das Läuten durch jemand anderen besorgen 
ließen. Ich habe beides selbst erlebt. Uebrigens ist das Läuten 
keine entehrende Arbeit und hat auch das Ansehen des Lehrers 
nicht geschädigt. 
Dasselbe Bewandtnis hatte es mit dem Versehengehen. 
Es gab Schullehrer, welche die Unterlehrer außer der Schul⸗ 
zeit und bei Nacht dazu verhielten und es gab solche, die sich 
eine eigene Person, die auch das Läuten und Uhraufziehen zu 
besorgen hatte, hielten. Auch das Begleiten des Geistlichen bei 
Versehgängen hat dem Lehrer keinen Schaden gebracht. Im 
Gegenteile waren diese ernsten Gänge gar vielfach eine ernste 
Mahnung. Der Lehrer hatte Gelegenheit, das Unglück, das 
durch Krankheit oder auf andere Art über die Menschen kam, 
gleichsam Aug in Aug zu sehen und das ist nicht unwirksam 
zeblieben. Ich glaube darüber nichts mehr sagen zu dürfen. 
Diese Gänge waren oft, besonders in schöner Sommernacht 
oder Winternacht, abgesehen von der Begleitung des Aller— 
heiligsten, sehr schön. Wenn man weit über Feld geht, da 
kann man die Pracht einer solchen Nacht erst erkennen. Vom 
Fenster aus gesehen oder von der Gasse, ist fo viel wie nichts. 
Daß der Lehrer als Mesner dem Priester beim An- und 
Auskleiden in der Sakristei half uswp, hat ihm ebenfalls an 
seinem Ansehen nichts genommen. Wenn Prinzen, Fürsten und 
Kaiser es nicht unter ihrer Würde gehalten haben, bei der 
Pese zu dienen, warum hätte es ein Lehrer nicht tun dürfen 
sollen? 
Ein anderes Verhältnis ist das des Lehrers zur Gemeinde. 
Wir hatten uns in Gemeinde-Angelegenheiten nicht gemischt, 
weiß auch nicht, daß ein Lehrer irgend in die Gemeinde— 
bertretung gewählt wurde. Darüber waren wir froh. Wir 
standen den Parteien in der Gemeinde ganz unabhängig und 
frei gegenüber. Heute — ach, mein Gott der Lehrer muß 
wählen, wie der Bürgermeister will.) Von einer Freiheit 
) Am Ende muß er auch in das Gasthaus gehen, in das der 
Bürgermeister geht. 
Hartl, Milde Beiträge.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.