Volltext: Milde Beiträge zur Sitten- und Kunstgeschichte (1)

Sprachliche Eigentümlichkeiten der Vulgata. 195 
unterziehen. Ihre Entstehung erklärt sich aus dem Bedürfnis 
der während der letzten Jahrhunderte v. Chr. in Aegypten 
bestehenden jüdischen Gemeinschaft. Schon nach der Eroberung 
Jerusalems durch die Babylonier flüchtete ein großer Teil der 
Juden, um nicht deportiert zu werden, nach Aegypten; von 
dort verbreiteten sie sich allmählich westwärts durch das nörd— 
liche Afrika. Die Deportierten selbst hatten während des Exils 
sich hauptsächlich mit Handelsgeschäften befaßt; die Neigung 
dazu brachten sie ins Mutterland mit zurück, und so wurden seu 
dem sechsten Jahrhundert viele von ihnen über die Grenzen des— 
selben in die griechisch redenden Länder hinausgeführt. Später 
verpflanzte Alexander der Große nach dem neuerbauten Ale— 
xandrien viele Juden Und räumte ihnen dort besondere Vor— 
rechte ein. Dasselbe wiederholte in größerem Maßstabe Ptole— 
mäus Lagi, der nach der Einnahme Jerusalems 320 einem 
großen Teile der unterworfenen Juden das nördliche Aegypten 
bis nach Cyrene hin zum Aufenthaltsorte anwies. Demnach 
entwickelte sich hier ein eigener Zweig des Judentums, welchet 
den religiösen Glauben der Vorfahren bewahrte, sonst aber sich 
vollständig zu griechischer Anschauung, Sitte und Sprache 
bekannte. In Alexandrien bildeten diese Juden später zwei Fünftel 
der gesamten Einwohnerzahl und standen unter einem eigenen 
Ethnarchen; aus ihnen gingen griechische Schriftsteller wie 
Aristobul und Philo hervor. Es ist klar, daß die griechisch 
redenden Juden, zunächst die in Alexandrien wohnhaften, nicht 
lange ohne Bibel in der Landessprache bleiben konnten. Es war 
dies eine Forderung der jüdischen Einrichtungen selbst. Bei 
den Versammlungen am Sabbat bildete die Vorlesung aus 
dem Gesetze den Hauptteil des Gottesdienstes. Wenn nun auch 
ein Teil des Volkes das Studium des Hebräischen eifrig 
betrieb, so mußte doch dem Bedürfnisse des anderen Teiles Genüge 
geleistet werden, analog wie wie Palästina, wo die hebräischen 
Lesungen in der chaldäischen Landessprache wiederholt wurden. 
Während man sich aber in Palästina sehr lange mit mündlicher 
Dolmetschung begnügte, entstand in Alexandrien frühzeitig eine 
geschriebene Uebertragung. — 
Zuerst wurde, dem Bedürfnisse entsprechend, der Pentateuch 
übersetzt. Bald war die neue Uebersetzung auch unter allen 
griechisch redenden Juden verbreitet; erst fand sie im westlichen 
Nordafrika, später in Asien Eingang und blieb Jahrhunderte 
lang in hohen Ehren. Nach der Zahl der Uebersetzer, welche 
hiebei zusammengewirkt haben sollen, nämlich 72 oder 70, wurde 
— — —EVE— — — 
genannt; im Lateinischen heißt sie editio septuaginta virorum 
oder seniorum, bei Hieronymus auch vulgata editio; wir nennen 
sie gewöhnlich Septuaginta, LXX.“
	        
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