Volltext: Milde Beiträge zur Sitten- und Kunstgeschichte (1)

194 Sprachliche Eigentümlichkeiten der Vulgata. 
ist. Dieselben sind im Neuen Testamente nicht so häufig wie 
in den griechischen Bestandteilen des Alten Testamentes, und 
sind auch in einzelnen neutestamentlichen Büchern seltener als 
in anderen; überall aber sind sie so zahlreich, daß die griechische 
Sprachform in der Bibel durchaus den semitischen Sprachgeist 
erkennen läßt. Da im Neuen Testamente die griechisch redenden 
Juden EοTai genannt werden (Apg. 6, 1) und ihre Sprache 
EMοri heißt (21, 37) und die Verfasser der hier in Rede 
stehenden Schriften solche Juden griechischer Bildung waren, 
so hat die griechische Sprachform der Bibel den Namen des 
Hellenistischen erhalten. 
Der Grund der vielen Hebraismen ist leicht einzusehen. 
Schon die große Verschiedenheit, welche zwischen der inneren 
Form des Griechischen und der aller semitischen Sprachen 
besteht, mußte es für den gebornen Semiten äußerst schwierig 
machen, sich vollständig in den griechischen Sprachgeist hinein— 
zudenken. Wenn Josephus Flavius und Philo dies vermochten, 
so ist der Grund darin zu suchen, daß sie von Jugend auf nach 
Erziehung und Bildung dem nationalen Geiste fremd geworden 
waren. Die Verfasser unserer griechischen Bibeltexte waren aber 
zum größten Teile ohne gelehrte Bildung und praͤgten deswegen 
der angeerbten griechischen Sprache den semitischen Charakter 
auf. Die Verfasser des Neuen Testamentes waren dazu auch 
aus religiösem Grunde genötigt; denn die neuen Begriffe und 
Anschauungen, welche durch dasselbe verbreitet werden sollten, 
hatten nur im Judentum, nicht in der griechischen Welt, Wurzel 
und Anknüpfungspunkte. Die eigentümlichen Spracherscheinungen, 
welche hiernach das biblische Griechisch charakterisieren, werden 
herkömmlich Hebraismen genannt, obwohl sie zum großen Teil 
aus der aramäischen Landessprache von Palästina herstammen; 
der Name ist auch so gerechtfertigt, weil letztere, wie schon 
erwähnt, ebenfalls hebräische Sprache genannt wird. Dieselben 
sind im Alten Testament naturgemäß häusiger als im Neuen, 
insofern dort meist Uebersetzungen, hier fast nur Originalien 
vorhanden sind. Die einzige Uebersetzung im Neuen Testament, 
das Evangelium des hl. Matthäus, zeigt auch die meisten 
Hebraismen. Hingegen enthält der Brief an die Hebräer deren 
so wenig, daß die schon früh ausgesprochene Meinung, es sei 
nur die Veranlassung und Absendung des Briefes dem hl. Paulus, 
die Ausarbeitung aber einem seiner Schüler zuzuschreiben, einen 
hohen Grad von Wahrscheinlichkeit gebinnt 
Griechische Uebersetzungen (des Alten Testamentes). 
Die im vorausgehenden erwähnte griechische Uebersetzung 
des Alten Testamentes ist, weil für den Sprachcharakter der 
Bulgata von Wichtigkeit, noch einer besonderen Betrachtung zu 
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