Volltext: Milde Beiträge zur Sitten- und Kunstgeschichte (1)

Der gregorianische Kongreß in Rom. 
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Nachmittags wurde auf Veranlassung adeliger Patronessen 
in einem Saale der inneren Stadt ein Konzert abgehalten, bei 
welchem der an der deutschen Kirche (Anima) bestehenden 
Sängerkapelle der Hauptanteil zufiel. Ich kann nur sagen, daß 
die Kapelle der Anima in der klassischen Polyphonie eines 
Vittoria und Palestrina viel mehr zu Hause ist, als es eine 
früher erwähnte Kapelle in der Kirche des heiligen Gregorius war. 
Was ich schon vor mehr als 20 Jahren (30. November 1883) 
im „Linzer Volksblatt“ hierüber geschrieben habe, gilt heute 
gerade so. Die deutsche Kapelle, allerdings aus römischen Sängern 
und Sängerknaben bestehend, zeigt den Italienern die Schönheit 
der Kompositionen ihrer früheren Meister. Auch der Heilige 
Vater hat sie schon in früheren Jahren mehrmals gehört und 
als Patriarch von Venedig seine Verwunderung ausgesprochen, 
daß die Werke Palestrinas in Leipzig in einer Gesamtausgabe 
erschienen, aber im Heimatlande dieses Künstlers fast un— 
bekannt seien.. 
Vom Konzerte weg ging ich in die große Marienkirche, 
wo sich das bekannte Gnadenbild „Maria Schnee“ befindet. 
Eine gesungene Allerheiligen-Litanei in der Gnadenkapelle daselbst 
stand ja im Kongreßprogramme, was sich wieder aus der Lebens— 
geschichte des Papstes Gregor des Großen erklärt. Die Kirche 
selbst besstand schon zu seiner Zeit, denn sie reicht ins vierte 
Jahrhundert zurück. Aufrichtig gesagt, waren die gesungene 
Litanei und einige andere Choralgesänge, die noch folgten, ein 
neuer Beweis für die Notwendigkeit der gregorianischen Re— 
stauration in Rom. 
Es folgte die Predigt eines Kanonikus. Seine Ausführungen 
waren edel und volkstümlich zugleich. Was bei keiner der 
Predigten, die ich hörte, übersehen wurde hervorzuheben, bei 
dieser aber noch mehr hervortrat, das war die Barmherzigkeit 
des heiligen Gregor gegen Arme und Hilfsbedürftige jeder Art, 
ein eminenter Zug seines Charakters. Nach der Predigt erteilte 
Kardinal Vinzenz Vannutelli den sakramentalen Segen. 
Sonntag den 10. April war großes Fest in der prächtigen 
St. Paulskirche außerhalb der Mauern. Die Benediktiner-Abtei 
daselbst hält den Choral überaus hoch. Der Abtprimas des 
Benediktiner-Ordens war eingeladen worden, das Amt zu singen. 
Die Sänger saßen oder standen in zwei Gruppen geordnet, wie 
es die Choralordnung verlangt. Ihr Vortrag zeugte von großer 
Sorgfalt. Die Ausgabe, die sie in Händen hatten, muß aber 
eine andere gewesen sein, als wir nach einer Vorlage, die wir 
beim Kongresse erhielten, erwarteten. Der Primas, welcher das 
Amt hielt, ist auch für seine Person ein vorzüglicher Sänger. 
In der Mittagshitze trat ich den weiten Heimweg an, doch 
holte mich der Abt von Tanzenberg in Kärnten ein, ein liebens—
	        
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