Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

chenland. Aus allen Erklärungen der Großmächte spra 
chen der Wille zur Aufrechterhaltung des Friedens und 
der Glaube, daß der Kaiser ihn nicht stören würde. 
Die Hauptermutigung war aber aus Frankreich gekom 
men. Briand war in Fühlung mit dem Kaiser getreten 
und hatte ihm geraten, nach Budapest zu gehen und 
keine Notiz von der Kleinen Entente zu nehmen, die ja 
nur protestieren würde. Frankreich, hatte er gesagt, 
würde Seine Majestät im Falle eines fait accompli unter 
stützen. Der Formsache halber würde sich Frankreich 
vielleicht dem Proteste der andern Mächte anschließen, 
alle seine Anstrengungen würden aber darauf gerichtet 
sein, die Kleine Entente zurückzuhalten. Italien hätte 
bisher die Kleine Entente unterstützt, würde es aber nach 
der Wiedergewinnung des Thrones durch Seine Majestät 
nicht mehr tun. Frankreich arbeitete zugestandenermaßen 
auf die Schwächung des italienischen Einflusses in Ost 
europa hin. 
Wollte man zuwarten, so würden nur die Kleine Entente 
stärker und Horthys Regime gefestigter werden. 
Der Versucher hätte natürlich gesagt, daß es angenehmer 
wäre, am Ufer des blauen Genfer Sees zu bleiben, daß 
es besser wäre, abzudanken und dafür das gestohlene 
Eigentum wiederzubekommen. Jedes Handeln könnte 
neue Kriege, Invasionen, Hungersnot, Panik und Ban 
kerott hervorrufen. 
Als der Kaiser noch ein kleiner Knabe gewesen war, hatte 
er einmal unvermittelt seinen Erzieher gefragt: „Was 
soll ich tun, wenn ich Kaiser bin?" 
Der Erzieher war erstaunt gewesen. Darauf hatte nicht 
die leiseste Aussicht bestanden. 
„Wie, Sie wollen Kaiser werden?" hatte er gefragt. 
„Nein." Dann nach einem langen Schweigen: „Aber neh 
men wir an, ich müßte es sein." 
Und jetzt, da Gott rief, war es kein Sehnen nach Prunk 
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