B
294
hatte und ohne Mitwirkung der Nationalversammlung
auch nicht abdanken konnte. Die Bestellung eines Reichs
verwesers als provisorische Maßnahme wurde angenom
men. Er sollte von der einfachen Mehrheit der National
versammlung gewählt, von einer Mehrheit von ioo ab
gesetzt werden können und nur mit genau begrenzten
Rechten ausgestattet sein. Dieses Vorgehen eröffnete den
Ausblick auf die eheste Rückkehr des Herrschers.
Aber in der Debatte traten Unterströmungen hervor, die
auf eine Beseitigung der Monarchie im Interesse verschie
dener politischer Absichten abzielten. Für das Verhäng
nis in der jüngsten Vergangenheit wurde entweder die
Dynastie, die die Unabhängigkeit des Landes durch Jahr
hunderte gewahrt hatte, oder das individuelle Opfer der
Revolution verantwortlich gemacht. Bei der Unwissen
heit der Mitglieder der Partei der Kleinen Landwirte
war es leicht, sie irrezuführen. Sogar die erzwungene Ab
wesenheit Seiner Majestät sahen sie als gleichbedeutend
mit einer Abdankung an.
Die fast einmütige Wahl Horthys am i. März 1920
stellte ein Kompromiß zwischen den Legitimisten und
den Anhängern der freien Königswahl dar.
Der Kaiser war nun schon fast ein Jahr im Exil und war
die ganze Zeit über mit den wichtigen Personen und Er
eignissen in Fühlung geblieben. Horthy notifizierte ihm
seine Wahl zum Reichsverweser und wiederholte seine
Versicherungen unverbrüchlicher Treue und vollen Ver
trauens auf die Restauration.
Bei allem Glauben an Horthy machten verschiedene Er
eignisse und Erscheinungen eine Klärung der Lage not
wendig. Der Kaiser schrieb daher dem Reichsverweser
am 25. Mai 1920 einen Brief, mit dem er ihm für seine
Dienste dankte, die Tatsache hervorhob, daß er auf seine
Rechte und Pflichten nicht verzichtet hätte, und den
Wunsch ausdrückte, nach dem verhängnisvollen Frieden