Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

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müssen. Die einzige denkbare Erklärung ist die, daß Lloyd 
George eine Verwechslung mit einem späteren Telegramm 
passiert ist — obgleich er vermutlich nicht täglich kaiser 
liche Telegramme bekommt und sich erinnern könnte, ob 
er jemals eines erhielt. Er war eben ganz in malerischer 
Journalistik untergetaucht und maß einem Gegenstände 
geringe Bedeutung bei, der das Andenken und den Cha 
rakter eines toten Herrschers berührt. 
Kapitän von Schonta bat Herrn Lloyd George sehr höf 
lich, seine Archive zu Rat zu ziehen und seinen Irrtum zu 
berichtigen. Dieser Staatsmann hatte ja mit gnädiger Sym 
pathie über den armen Kaiser geschrieben, es war daher 
nicht viel verlangt, daß er eine ernste Verleumdung be 
richtigte. Aber — sollte man es glauben? Er nahm sich 
nicht einmal die Mühe, durch sein kostspieliges Sekreta 
riat den Empfang des Briefes bestätigen zu lassen. Viel 
leicht hat er jetzt, wo ihm größere Muße beschieden ist, 
Zeit, die Sache gutzumachen. 
Oberst Strutt ist überzeugt, daß der Kaiser bis zu seiner 
Ausreise niemals an ein Verlassen seines Landes gedacht 
habe, es sei denn unter Zwang. Der entscheidende Augen 
blick kam zweifellos, als die revolutionäre Regierung den 
Kaiser für vogelfrei erklärte. 
Am 13. März 1920 schrieb Oberst Strutt dem Kapitän von 
Schonta aus Danzig: „Wir hätten bleiben sollen ... Es 
war meine Ängstlichkeit, die das verschuldete — aber Sie 
wissen, daß all meine Sorge nur der kaiserlichen Familie 
galt. Ich hoffe, Ihre Majestäten werden mir verzeihen 
können.“ 
Der Kaiser billigte folgende Antwort: „Es war besser, das 
Land als Kaiser zu verlassen, als wie ein Gefangener da 
heim zu bleiben, ohne Schutz gegen die Ausschreitungen 
einer irregeführten Menge. Der Abzug in unberührter 
Würde ließ die Zukunft offen, die manches bringen kann. 
Lassen Sie ruhig die Selbstvorwürfe schweigen!“
	        
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