Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

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möchten; zudem wäre die Regierung für die Sicherheit am 
Aufenthaltsorte des Kaisers verantwortlich. Schließlich 
verlangte Renner, daß sich der Kaiser nicht mehr Majestät 
ansprechen ließe. Der Fregattenkapitän erwiderte lachend, 
daß auch Renner sich nicht mehr Doktor nennen lassen 
sollte. 
Friedliche Überredung hatte also versagt. Die Regierung 
zog die Zügel straffer. Wagen, die Lebensmittel nach 
Eckartsau bringen sollten, wurden überfallen und ausge 
raubt. Das taten Soldaten unter Kommando eines Leut 
nants Müller. Scheunen wurden angezündet. Der Wilderer 
unfug nahm zu. Zwischen Polizisten und Wilderern wur 
den Schüsse gewechselt. 
Die ausländischen Vertreter gerieten in Sorge. Im Februar 
1919 verständigte der zum Chef der britischen Militär 
mission in der Tschechoslowakei ausersehene Oberst Sir 
Thomas Cuninghame die Wiener Regierung, daß der Kö 
nig von England dem Kaiser einen Offizier zu seinem per 
sönlichen Schutze senden würde. Der Staatssekretär für 
Äußeres der Republik, Dr. Bauer, erschrak. Er rief damals 
aus: „Das kann unser Ende sein. Was machen wir, wenn 
der Kaiser Minister ernennt und sie uns durch seinen eng 
lischen Offizier präsentieren läßt. Wir könnten nichts an 
deres tun, als unsere Amtsräume schleunigst verlassen.“ 
Oberst E. L. Strutt traf mit der Instruktion ein, „Seiner 
Majestät jede moralische und materielle Unterstützung zu 
gewähren“. Die Kaiserin bemerkte gegenüber ihrem Ge 
folge: „Gott sei Dank, so gibt es wenigstens einen ritter 
lichen Monarchen unter unseren ehemaligen Feinden.“ 
Monsignore Seipel wurde wiederholt ersucht, seinen Ein 
fluß aufzubieten und den Kaiser zur Abdankung zu be 
wegen. Er lehnte ab. Die „Arbeiter-Zeitung“ veröffent 
lichte im März 1919 einen Artikel: „Alles Monarchische 
muß weg!“ Dies bewog einige in Wien weilende Erzher 
zoge, den Kaiser zu bitten, im Interesse seiner Sicherheit
	        
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