Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

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ins Bett gezwungen hätten. Aber jetzt nach all der An 
spannung und den Enttäuschungen mußte er seiner Er 
schöpfung nachgeben. Zum Christbaum ließ er sich den 
Kindern zuliebe im Lehnstuhl schieben. Aber er verlor 
nicht seine gute Laune. Es tröstete ihn, daß seinem Lande 
die Schrecken des Bürgerkrieges erspart geblieben waren, 
und er hoffte auf die Rückkehr seiner Untertanen zur 
Treue und Vernunft. Was ihm naheging, waren die schau 
derhaften Nöte des Volkes. Niemals beklagte er sich über 
den Gesinnungswandel der Menschen, die einst in besseren 
Zeiten von Versicherungen der Ergebenheit übergeflossen 
waren und jetzt vor den neuen Herren auf dem Bauche 
lagen. 
Die neue Regierung nahm die Krankheit zum Vorwand, 
um dem Kaiser eine Luftveränderung zu empfehlen. Sie 
behauptete, daß von seinem Aufenthalt in der Nähe 
von Wien ein Einfluß auf die Wahlen ausginge. Sie fürch 
tete sidi vor der Monarchie und bereute, daß sie nicht auf 
seiner Verbannung bestanden hatte, als er den Gedanken 
an Abdankung von sich gewiesen. Die „Arbeiter-Zeitung“ 
brachte einen Artikel „Die Dynastie soll auswandern“. 
Es begann ein Feldzug für seine Auswanderung oder Ab 
dankung. Selbst die Christlichsozialen drängten auf Ab 
dankung; dies würde ihn nicht hindern, wiederzukommen, 
wenn die Uhr der Republik abgelaufen wäre, sagten sie. 
Dr. Renner, der Kanzler der neuen Republik, erschien in 
Eckartsau, wurde aber nicht empfangen. Er äußerte gegen 
über dem Kapitän von Schonta Besorgnisse wegen der 
Sicherheit und Gesundheit des Kaisers. Die feuchte Luft 
könnte ihm nidit gut tun; man wüßte auch nicht, was dem 
zügellosen Pöbel in den Sinn kommen könnte. Die Ant 
wort lautete, was die Luft anbeträfe, so wäre sie nicht 
schlecht, und was die Sicherheit anbelangte, so hätte man 
dreißig Gewehre und gute Schützen, die eine gehörige 
Bande von zügellosen Elementen in Schach zu halten ver
	        
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