Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

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Tisza erhob sich von seinem Schreibtisch, kam mir einige 
Schritte weit entgegen und reichte mir wortlos die Hand. 
Wir setzten uns an einen mit Büchern und Schriften be 
deckten Tisch einander gegenüber. Nachdem ich mit eini 
gen Worten den Zweck meines Besuches mitgeteilt hatte, 
trat eine längere Pause ein. Graf Tisza schwieg und sah 
mich aus seinen dunklen Brillen wortlos an. Auch ich 
schwieg. Es war nun an ihm zu sprechen. Ich dachte, er 
müßte wohl erst seinen Groll üb er winden, der ihn gewiß 
bei dem Gedanken erfaßte, daß wieder ein österreichischer 
Beamter an die Spitze der Kabinettskanzlei gestellt wor 
den war. Ich suchte vergebens hinter dem dunklen Glas 
der Brillen seine Augen zu sehen. Da preßte er einige 
Worte des Dankes für meinen Besuch heraus. Ich ant 
wortete, daß ich bereits am 6. Februar mein Amt angetre 
ten hatte, und daß es mir leider nicht möglich gewesen 
wäre, meine Antrittsaufwartung eher zu machen. Und 
wieder schwieg Tisza. Aus dem Ton seiner Worte hatte 
verhaltene FeindSeligkeit geklungen. Ich begann y seine 
Gedanken zu verstehen. Er hatte für die Besetzung dieser 
Stelle, deren Bedeutung zu unterschätzen er zu klug war, 
seine Pläne gehabt. Graf Klebelsberg war sein Kandidat 
für diesen Posten gewesen. Er war wohl auch schon davon 
unterrichtet, daß ich dem Kaiser näher stand als es sonst 
bei einem Chef der Kabinettskanzlei der Fall gewesen 
war. Das konnte unbequem werden. Dem mußte er als 
Gegengewicht die Macht seiner Stellung entgegenhalten. 
Und er schwieg. Ich hatte keine Ver anlas sung zu sprechen. 
Es lag ein stiller, uns beiden bewußter Kampf in diesem 
gegenseitigen Schweigen, bis er es endlich brach. Und nun 
entwickelte sich in rascher Aufeinanderfolge von Rede 
und Widerrede ungefähr folgender Dialog: Graf Tisza: 
,Ich habe die Angelegenheit der Ernennung eines unga 
rischen Sektionschefs der Kabinettskanzlei mit Seiner 
Majestät noch nicht besprochen. Das ist eine sehr wichtige
	        
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