Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

Vortage übrig geblieben und in der Mappe des Flügel- 
adjutanten aufbewahrt worden waren. Es war unsere 
Aufgabe, solche unbeschäftigten Augenblicke nicht unbe- 
nützt vorübergehen zu lassen 3 sondern den Kaiser auf 
merksam zu machen, daß er vielleicht dies oder jenes er 
ledigen könnte. War einmal wirklich nichts da, so konnte 
sich der junge Herrscher ganz kindlich über die erzwun 
gene Muße der Fahrt freuen. Dann ergötzte er sich an 
den Einzelheiten auch der bescheidensten Landschaft, denn 
er war ein großer Naturfreund und Beobachter. Alle Häu 
ser und Hütten am Wege kannte er, wußte: hier wird die 
alte Frau beim Fenster herauswinken, da werden wir den 
Schulmädchen begegnen, die stets so nett knixen. Den 
Dank für diese gewohnten Grüße versäumte er aber auch 
dann nicht, wenn er mitten in der Arbeit war. Er summte 
wohl manchmal auch ein kleines Liedchen vor sich hin. 
Sehr musikalisch war er nicht, mein guter kaiserlicher 
Herr, aber die kleinen Wiener Lieder hatte er gern: 
,Wien } Wien, nur du allein' oder ,Da draußen im Schön 
brunner Park'. Einmal, glaube ich, habe ich ihm bei einer 
solchen Gelegenheit sehr geschmeichelt. Da sang er gerade 
leise vor sich hin, und ich guckte ihn von der Seite lächelnd 
an, weil ich mich seiner guten Laune freute. Er aber schien 
zu glauben, daß ich über seinen Gesang lächelte, und fragte: 
,Ist 3 s richtig so?' Ich darauf: ,Das weiß ich wirklich nicht, 
Eure Majestät, jedenfalls aber bewundere ich Eure Maje- 
stät, denn ich könnte es nicht einmal so gut!' Und der 
Kaiser mit seinem guten, frohen Lachen: ,Ah, haben Sie 
auch ein Schweinsohr?'" 
Intime Bilder aus dem täglichen Leben des Kaisers bietet 
auch Graf Polzer-Hoditz, der der Chef der Kabinetts 
kanzlei wurde und während des größeren Teiles der 
Herrschaft Karls in naher Beziehung zu ihm stand. Der 
nadistehende Abschnitt aus seinem Buche mag als eine 
Illustration der Atmosphäre angeführt werden:
	        
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