Volltext: Kreuzweg eines Kaisers

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Kaiser Franz Joseph mag seine lange Herrschaft mit 
föderalistischen Plänen angetreten haben; aber er verließ 
sich schließlich mehr auf Palliativmittel als auf notwen 
dige chirurgisdie Eingriffe. Und während seiner langen 
Regierung fühlte er sich ehrenhafterweise immer an seinen 
Krönungseid gebunden, der jede Reformtätigkeit in den 
Ländern der Sankt-Stefans-Krone unterband. 
Franz Ferdinand, der hauptsächlich an die Erhaltung der 
Monarchie dachte, sah das Heil nur in einer grundsätz 
lichen Strukturänderung des Reiches. Er war für ein 
Österreich, in dem Deutsche, Magyaren, Slawen und all 
die anderen Nationen eine lokale Selbstregierung haben 
sollten. Er kam zur Erkenntnis, daß selbst ein Bundes 
staat einen herrschenden Faktor braucht. Die Zentral 
regierung mußte stark sein. Das Deutsche mußte die 
Staatssprache werden, wie die Angelsachsen das Englische 
dazu gemacht haben. Das Deutsche war eine Weltsprache. 
Um die Reform zu erleichtern, wollte er Ungarn in vier 
bis fünf, die Sudetenländer und Galizien in je zwei Ele 
mente teilen. Das Haupthindernis war der Dualismus, der 
es Ungarn gestattete, widerspenstige Nationalitäten zu 
tyrannisieren. Die ungarische Oligarchie anerkannte nicht 
einmal das Reich, kannte nur zwei Staaten unter einem 
Monarchen, mit der Leitha als Grenze, die nicht nur Öster 
reich und Ungarn, sondern auch ganze Gruppen der 
Deutschen, der Rumänen, der Slawen und anderer Völker 
schied. 
Dies führte zur Idee der „Vereinigten Staaten von Groß 
österreich", für die ein ungarischer Rumäne namens Aurel 
Popovici mit einleuchtenden Argumenten eingetreten ist. 
Danach sollten fünfzehn Nationalstaaten gebildet wer 
den, deren jeder seine Sprache daheim als Dienstsprache 
verwandte und Deputierte in ein Zentralparlament sandte. 
Franz Ferdinand war von dem Gedanken entzückt, fand 
aber nur mäßige Unterstützung. Die Magyaren waren
	        
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