Volltext: Das Chorherrenstift St. Florian [56/57]

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hinterlassenen Schriften der damaligen Stiftsherren. Es sind meist Pre 
digten und asketische Schriften. Beide Literaturarten erfreuen sich ge 
rade aus dem 18. Jahrhundert keines hohen Ansehens. Ihre Sprache 
ist meist unbeholfen und langatmig, ihr Inhalt seicht. Davon heben sich 
die Leistungen der Florianer Chorherren geradezu wohltuend ab: die 
Sprache ist lebendig, der Ausdruck kurz und bündig. Wärme, frei von 
Überschwänglichkeit, durchströmt das Ganze. Die asketischen Schriften 
sind meist in trefflichem Latein geschrieben. Für den Bildungsstand 
des Stiftes ist bezeichnend, daß die Verhandlungssprache im Kapitel 
die lateinische war. 
Aus der Zahl der Äbte ragt im 18. Jahrhundert besonders einer 
hervor: Propst Johann Georg Wiesmayr, eine kleine unscheinbare Er 
scheinung, aber ein imponierender Geist. Er führte den Bau des Stiftes 
zu Ende. Von Anfang an erkannte er, daß wissenschaftliches Streben 
eines der unerläßlichsten Fermente des klösterlichen Lebens ist, dem 
ohne dieses Verflachung droht. Er scheute keine Kosten, die wissen 
schaftlichen Sammlungen des Stiftes auf eine für damals erstklassige 
Höhe zu bringen und die Ausbildung seiner Jungherren möglichst sorg 
fältig zu gestalten. Er ist der eigentliche Begründer der Bibliothek. 
Nicht nur weil er den Saal dafür gebaut; er kaufte auch die meisten 
und wichtigsten Werke. In Haag, Venedig, Lucca, Rom, Salzburg und 
München hatte er seine Agenten, die seltene und wichtige Bücher für 
ihn erwerben mußten. In 18 Jahren hatte er allein für Bücher 12.000 
Gulden verwendet. Kein Wunder, daß der päpstliche Nuntius sich 
Mitte des Jahrhunderts über die Bibliothek äußerte, er habe dort so 
viele seltene Werke gefunden, wie er in Deutschland überhaupt nicht 
vermutete. Weiter kaufte der Propst die hervorragende Münzsamm 
lung des Apostolo Zeno in Venedig. Er vermehrte die Gemäldegalerie, 
errichtete eine Kupferstich-, Antiken-, Mineralien- und Konchylien- 
sammlung. Sein Augenmerk wandte er auch dem Ausbau des Stifts 
archivs zu. Ihm ist es in erster Linie zu danken, daß heute das Archiv 
als das instruktivste und reichhaltigste Privatarchiv für die Geschichte 
Österreichs gilt. Besondere Bedeutung legte er der Ausbildung seiner 
Kleriker bei. Die begabtesten schickte er zum Studium der spekulativen 
Theologie an fremde Lehranstalten. Seit Propst David wurde in der 
Regel einer ans Collegium Germanicum nach Rom gesandt. Dieser 
kehrte meist als Magister der Philosophie und Baccalaureus der Theo 
logie ins Stift zurück. Die übrigen machten ihre Studien im Hause. Für
	        
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