Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

Severins 
Wirtschafts- 
werk. 
zu zwei Schlüssen gedrängt: entweder war die Bevölkerung der Pro 
vinz sehr dicht, so daß die Unterhaltsmittel nicht zu deren Ernährung 
ausreichten, oder aber die Art der Bewirtschaftung des Bodens ist eine 
völlig extensive, teils ungeregelte gewesen. Der letzte Schluß erscheint 
mir eher gerechtfertigt. Eine sehr zahlreiche Bevölkerung würde kaum 
in der Weise von Ort zu Ort flüchten, wie uns das die vita verschiedent 
lich berichtet (cap. 27. 28. 31), und der Bestand einer übermäßig großen 
Volkszahl läßt sich aus der Mitteilung von Kapitel 31,1: die Überreste 
der Bevölkerung aller oberen Donaustädte seien in der einen Stadt Lorch 
untergebracht worden, und aus der Notiz von Kapitel 22: beinahe alle 
Bewohner von Passau waren draußen bei der Ernte tätig, und nur 
40 Männer waren als Besatzung der Stadt zurückgeblieben, auch kaum 
entnehmen 1 ). 
Auf Grund einer Betrachtung dieser Gestalt des Wirtschaftslebens ist 
sicherlich mit der Plan Severins erwachsen, der Institution des Zehenten 
in Norikum eine allgemeine Verbreitung zu gewinnen. Als einen der 
„größten Liebestäter, die die sinkende antike Welt gekannt hat“, hat 
Bernoulli den Heiligen von Norikum gepriesen 2 ). Ich möchte ihn eher als 
den ersten praktischen Sozialisten des kirchlichen Mittelalters 
bezeichnen, obwohl ich mir natürlich bewußt bin, daß der Sozialismus, 
den ein Mann wie Severin vertreten hat, sich weit von dem modernen, 
deutschen Mittelalter, Handwörterbuch der Staats wissen schäften VII 2 169. Neben den rates in 
cap. 3, 3 steht die scafa (Kahn zur Überfahrt, Boot, Nachen) in cap. 23, 1 (scafam sibi iubet 
ilico praeparari p. 33, 6). 
A ) Die Worte (cap. 40, 5) haec loca nunc frequentata cultoribus (p. 48, 12) enthalten dar 
nach wohl kaum den Hinweis auf eine besonders große Volkszahl, sondern bringen nur den 
Gegensatz zu dem folgenden: ,,in tarn vastissimam solitudinem redigentur“ (p. 48, 13). Julius 
Jung, Römer und Romanen in den Donauländern 2. Aufl. 1887 S. 161 schließt aus cap. 40, 5 
m. E. mit Unrecht: „Die Bevölkerung gilt als verhältnismäßig zahlreich“. Bei der Notiz über 
die Besatzung von Passau sei kurz auf die in der vita vorkommenden Zahlen verwiesen: 
Zahl 3 (dreitägiges Fasten cap. 2, 1 p. 13, 3; cap. 11, 2 p. 22, 27; cap. 25, 2 p. 34, 16). 
Zahl 12 (Rugus per annos 12 ossuum dolore contritus cap. 6, 1 p. 17, 26). Zahl 13 oder 14 
(cap. 32, 2: Odovacar integer inter tredecim et quattuordecim p. 42, 1). Zahl 40 (cap. 22, 4: 
quadraginta viros oppidi, qui ad custodiam remanserant; cap. 35, 2: quadraginta fere annis 
in monasterii excubiis perseverans p. 43, 19; cap. 36, 4: monachos vir dei per dies quadraginta 
arduis abstinentiae remediis mancipavit p. 45, 8; cap. 38, 1: quadragesimo die mortifera papula 
in brachio ieiunantis apparuit p. 46, 17). Zahl 70 (cap. 19,5: fere Septuaginta captivos p. 30, 26). 
Am meisten kommen also die Zahlen 3 und 40 vor. 
2 ) Bernoulli, Die Heiligen der Merowinger 1900 S. 55. 
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