Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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i. Jahrhunderts n. Chr. Columella als einzigen Nebengewinn des Weinbaues 
den Ertrag aus dem Verkauf der Ableger gelten lassen wollen 1 ). Der 
Getreidebau erzielte wenigstens, wie es scheint, nicht allenthalben Über 
schüsse über den Bedarf der einzelnen Wirtschaft. Der „sehr arme“ 
Mann in Küchel an der Salza, dessen kleines Äckerchen die Heu 
schrecken verwüsten, besitzt keine Hoffnung, sein Leben erhalten zu 
können, und verdankt erst der Beisteuer seiner Nachbarn, die über 
reiche Saatfelder verfügten, den Jahresunterhalt 2 ). Erzielen sonach diese 
vermöglicheren Nachbarn einen Überschuß, so besitzt auch die Witwe 
Procula in Favianis „eine große Menge Feldfrüchte“ 3 ) und hofft bei der 
Hungersnot mit diesen ein gutes Geschäft abschließen zu können. Ob 
aber die Passauer, die im Lande der Rugier Handel zu treiben wünschten, 
die Erträgnisse ihrer Ernte (wie wahrscheinlich ist) oder etwa des Wein- 
und Obstbaues und der Bienenzucht an die Barbaren verhandeln wollten, 
läßt sich kaum entscheiden 4 ). 
ü De re rustica 3, 3. S. Mommsen, Römische Geschichte I 830. 
2 ) Cap. 12, 4: quidam pauperrimus .... ad agrum propriae segetis, quae perparva inter 
aliorum sata iacebat (p. 24, 10). — Segetem eius exiguam multis vicinorum circumdatam fru- 
gibus (p. 24, 14). Cap. 12, 6: si ulla sibi opes, qua viveret, remansisset (p. 25, 1). Cap. 12, 7: 
at liberalitate vestra anni praesentis alimenta percipiat (p. 25, 3). 
3 ) Cap. 3, 2: cognovit quandam viduam nomine Proculam fruges plurimas occultasse (p. 13, 22). 
Die Vorstellung von einem Reichen, der seine Feldfrüchte einschließt, statt sie den Armen 
mitzuteilen, ist gerade den orientalischen Kirchenvätern sehr geläufig. Gregor von 
Nazianz, Aoyog 43, 35: ol oizcovai xal oizoxäjirjloL . . . z^govoi zovg xaigovg xal xaza- 
jTQay/uarsvovzai zrjg svöscag xal yscoQyovoi zag ov/Kpogag (Migne 36, 544). Anders ist 
sein Freund Basilius, der während der Hungersnot in Cäsarea für die Armen Töpfe mit 
Hülsenfrüchten und Pökelfleisch aufgestellt hat: k'zvovg ze nlrjQeig Jigo'&slg lißrjzag xal zov 
zagi%£vzov mag rjfuv oxpov.ibidem. Johannes Chrysostomos, slg zov Jtzcoyov Aä^agov xal 
zov Jilovoiov Aoyog I: (ol nlovzovvzeg) coojteg iv onrjAaloig xal xazaövosoi zoTg savzcov 
ftakafioig xazogvzzovzeg zag szsgcov negiovolag (Migne 48, 980). Alle diese Aussprüche fußen 
übrigens auf der Stelle Sprüche Salomons 11, 26, die natürlich auch Gregor von Nazianz a. a. O. 
zitiert: „Verflucht ist unter dem Volke, wer Korn verbirgt; aber Segen kommt über den, der 
es verkauft!“ Laktanz, Divinae institutiones V 5: ut natas sibi fruges non includerent nec 
soli absconditis incubarent, sed pauperes ad communionem proprii laboris admitterent. Basilius, 
o^uAla sig zo grjzov zov xaza Aovxäv svayyeMov 12, 18: zov nsivcbvzog soziv 6 agzog, ov ov 
xaz£%eig (Migne, Patrologia graeca 31, 277). 
4 ) Cap. 22, 2: ut pergens ad Febanum, Rugorum principem, mercandi eis licentiam postu- 
laret (p. 32, 7). Cap. 22, 4: paene cunctis mansoribus in messe detentis (p. 32, 29). Märkte 
werden erwähnt in cap. 6, 4: qui cum postea nundinis frequentibus interesset (p. 18, 13) und 
in cap. 9, 1: ut hominem ignotum in nundinis quaereret barbarorum (p. 20, 27).
	        
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