Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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Kapitel 30 entnehmen: ein Heuhaufen, der in der Stadt Lorch liegt, 
gerät zufällig in Brand und erleuchtet die Stadt 1 ). So lieferte der 
Ackerbau dem Vieh die Nahrung, wie offenbar die Viehhaltung dem 
Acker den erforderlichen Dünger. 
Neben dem Getreidebau scheint in der Provinz Norikum Obst- und 
Weinbau in gewisser, wenn auch beschränkter Ausdehnung betrieben 
worden zu sein. Der Platz, an dem sich Severin seine Zelle erbaut, 
führt den Namen „bei den Weinbergen“ 2 ), und Maurus, der Küster der 
Klosterkirche, geht mit einem Bauern zwei Meilen weit von Favianis, 
um Obst zu pflücken 3 ). Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß die im 
11. und 13. Kapitel erwähnten Wachskerzen 4 ) den Schluß zulassen, 
daß in Norikum die Bienenzucht heimisch war, oder daß aus dessen 
dunklen Waldungen, deren das 30. Kapitel gedenkt 5 ), die Waben wilder 
Waldbienen geerntet wurden. Auch für den Weinbau ist zu einer Zeit, 
die noch keine chemischen Dungstoffe kennt, eine umfangreiche Vieh 
zucht mit Stallfütterung unentbehrliche Voraussetzung 6 ). Weinbau und 
Bienenzucht lieferten der Kirche und ihrem Kultus den notwendigen 
Bedarf. 
Da aber der Betrieb der drei hier besprochenen Kulturen entweder 
noch in den ersten Anfängen oder aber bei dem unruhigen Zustand 
der Provinz überhaupt von früherer vielleicht erreichter Höhe zurück 
gegangen war, so ist es höchst fraglich, ob etwa Überschüsse der 
Produktion über den Bedarf erzielt wurden, die eine marktmäßige 
Verwertung finden konnten. Hatte doch schon um die Mitte des 
*) Cap. 30, 3: acervus faeni comminus positus facula baiuli nolentis accensuS lumen, non 
incendium reddidit civitati (p. 39, 2). 
2 ) Cap. 4, 6: deinde beatus Severinus in locum remotiorem secedens, qui ad Yineas vo- 
cabatur, cellula parva contentus (p. 15, 12). 
8 ) Cap. 10, 1: hie ergo contra praeceptnm tanti patris saecnlaris cuiusdam hominis persuasu 
meridie ad colligenda poma in secundo a Favianis miliario egressus (p. 22, 3). 
4 ) Cap. 11, 2: ac per singulas domos cereos afferri praecepit (p. 22, 28). Cap. 11, 3: pars- 
maxima cereorum (p. 23, 5). Cap. 11, 5: cereos (p. 23, 12), in cereis (p. 23, 13). Cap. 13, 2: 
cereus, quem manu idem sanct.us Severinus tenebat (p. 25, 17). 
5 ) Cap. 30, 4: hostes silvarum occultati nemoribus (p. 39, 4). 
6 ) Vergl. O. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt I 350. Über Weinbau an 
der Donau im 7. Jahrhundert siehe v. Inama-Stern egg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte I 172. 
Die lex Salica ältester Fassung, die etwa gleichzeitig mit der vita Severini ist, weiß noch 
nichts von Obstbäumen (Waitz, Das alte Recht der salischen Franken S. 5 ff. v. Inama 
a. a. O. I 171).
	        
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