Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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Im 18. Kapitel hören wir weiter: „Die Bürger der Stadt Lorch hatten 
trotz der häufigen Ermahnung des heiligen Severin die Zehenten der 
Früchte den Armen zu geben versäumt“ 1 ) und vernehmen die Worte 
des Heiligen: „Hättet ihr die Zehenten den Armen dargebracht, so 
würdet ihr nicht allein ewigen Lohnes genießen, sondern könntet auch 
Überfluß haben an allerlei zeitlichem Gut“ * 2 ). 
Während hier der Feldfrüchte als der Zehentabgabe gedacht wird, 
berichtet das 29. Kapitel nochmals von einer „Sammlung der Noriker 
zum Besten der Gefangenen und Armen“. Der Noriker Maximus 
bringt sie dem heiligen Severin „mit zahlreichen Gefährten, die auf 
ihrem Nacken Kleider schleppten“ 3 ). Daran, daß diese Kleider 
sammlung gleichfalls eine Zehentabgabe darstellt, darf man wohl nicht 
zweifeln. „Die für die Armen bestimmten Kleider“ erwähnt auch das 
44. Kapitel 4 ). 
Charakteristisch für den Zehent, den der heilige Severin in Norikum 
eingeführt hat, ist demnach das folgende. Die Forderung des Zehenten 
erwächst aus dem mosaischen Recht. Mit keiner Andeutung kehrt jene 
Verwendung des Zehenten zugunsten der Kirchenbeamten, wie sie bei 
Origenes und zum Teil in den „Apostolischen Konstitutionen“, in der Atda%r) 
und bei Cyprian und Hieronymus begegnet, wieder, sondern nur die 
eine Art der Verwendung, die die Aidaxtf, Cyprian und Hieronymus und 
übrigens auch die „Apostolischen Konstitutionen“ kennen, die Verwendung 
zugunsten der Armen, wozu Kapitel 17 und 29 noch die Verwendung 
zugunsten der Gefangenen hinzufügen. Die Spende des Zehenten besteht 
*) Cap. 18, 1: cives quoque ex oppido Lauriaco crebra quondam sancti Severini exhortatione 
commoniti fmgum decimas pauperibus offerre distulerant (p. 29, 12). 
2 ) Cap. 18, 2: si decimas obtulissetis pauperibus, non solum aeterna mercede frueremini, 
verum etiam commodis possetis abundare praesentibus (p. 29, 19). 
8 ) Cap. 29, 1: conductis plurimis comitibus, qui collo suo vestes captivis et pauperibus 
profuturas, quas Noricorum religiosa collatio profligaverat, baiularent (p. 37, 14). Häufig fordert 
Severin die Freilassung von Gefangenen ohne Lösegeld (cap. 8, 2: ut eos dimitteret, postulabat 
p. 19, 16; cap. 19, 3: rogavit, ut captivos gratanter absolveret p. 30, 14). Cap. 19, 5 hören 
wir von 70 Gefangenen, die freigegeben werden (p. 30, 26). Severins „magna in redimendis 
captivis industria“ feiert cap. 9, 1. Hier hören wir von einem „cum coniuge liberisque redempto“. 
Auch von dem Küster Maurus lesen wir in cap. 10, 1: quem beatus Severinus redemerat de 
manibus barbarorum (p. 21, 31). Man wird also Severins Organisation förmlicher Loskaufskassen, 
von der Nitzsch, Geschichte des deutschen Volkes 1892 I 139 redet, nicht in Abrede stellen 
können. Vergl. Sommerlad, Die wirtschaftliche Tätigkeit der Kirche in Deutschland I 165. 
4 ) Cap. 44, 1: vestes pauperibus deputatas (p. 52, 3).
	        
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