Volltext: Der gotische Flügelaltar zu Kefermarkt

Pokal mit Myrrhe. Der eng anliegende und sehr kurze Leibrock trägt die Majuskelinschrift: 
XIPKMV CENTCV 1 WEH! OMTAN, die wohl nur als Dekoration dient. 
Der Tod Mariens (T. 17 a) rechts unten ist ein sanfter, wie ihre milden und 
verklärten Züge bekunden. Ein Putto hält den Vorhang des Himmelbettes zurück, so daß 
der Blick auf die Sterbende nicht gehindert ist. Die Apostel sind gut gruppiert; jeder der 
Zwölfe.ist in seiner individuellen Bedeutung dargestellt und doch als ein Teil des Ganzen 
aufgefaßt (T. 17 b). Johannes hat die Sterbekerze, wie es pietätvolle Kindespflicht, Petrus 
hielt den Weihwedel, während der Nebenstehende das Weihwassergefäß darreicht; ein 
anderer trägt ein Weihrauchgefäß; die übrigen umgeben in Trauer versunken oder leise 
betend das Lager der Scheidenden. Ueber Petrus erscheint in stilisierter Wolke Christus, 
zu dem die Seele Mariens in Gestalt eines Kindleins heimgegangen ist. 
St. Georg und St. Florian. St. Georg (T. 18) ist eine vornehme, ritterliche Er¬ 
scheinung (1*77 m hoch) in vollem Ritterharnisch,1) den bezwungenen Drachen zu Füßen. 
Das Antlitz zeigt jugendlich edle Züge, voll Mut und Tatkraft.2) Die feine Ausführung 
der beiden Rittergestalten des hl. Georg und Florian und ihre ganze Haltung erklärt sich 
daraus, daß sie, wie zu St. Wolfgang, Hallstatt u, s. w. als Schreinwächter ursprünglich 
einen Platz an den Schmalseiten des Schreines innehatten; sie waren nur bei geschlos¬ 
senen Flügeln sichtbar. 
St. Florian. Das würdige Gegenstück von St. Georg ist auf der Epistelseite das 
Standbild des hl. Florian (1'77 m hoch), des Landesheiligen und Landespatrones von Ober¬ 
österreich (T. 19 a). Um den Hals ist das eng anschließende Ketten- oder Panzerhemd 
sichtbar, das auch an den Lenden, wie bei St. Georg, unter dem Harnisch hervorguckt. Die 
Rüstung ist sorgfältig ausgeführt, aber nicht mit Zieraten überladen. Mit wehmütig-ernster 
Miene blickt der hl. „Feuerpatron“ auf das vor seinem rechten Fuße stehende brennende 
Haus und gießt mitleidig und helfend Wasser in die Flammen; sein Haupt ist deshalb 
auch bedeutend nach rechts gewendet und geneigt (T. 19 b). 
Giebel oder Gespreng. Der aus dem Schreine herauswachsende überreiche 
Giebel oder das Gespreng (T. 20 a) besteht aus 11 Türmen: 3 großen Haupttürmen, welche 
aus den 3 Baldachinen des Schreines sich entwickeln, dazwischen erheben sich 4 mittlere 
und 4 kleinere Fialentürme. Diese Türme sind durch geschweifte Spitzbogen (Eselsrücken), 
mehrfach untereinander verbunden und vereinigen sich so zu einem zierlichen Ganzen. 
Die 3 Haupttürme enthalten Figuren, die mit Ausnahme der 2 Brustbilder für die Höhe 
gearbeitet sind. 
Madonna (T. 21 a). In der mittleren Giebelsäule steht auf einer gestielten Konsole 
unter einem reichen Baldachine in etwas geschwungener Haltung die seligste Jungfrau 
Maria mit dem Jesukinde (1*40 m hoch). Maria ist nach der Vision des hl. Johannes in 
der geheimen Offenbarung (12-i) dargestellt, mit der Sonne umkleidet, den Mond zu Füßen, 
auf ihrem Haupte eine Krone von 12 Sternen. Unter dem Monde windet sich eine Schlange, 
deren Kopf ein liegendes Menschenantlitz mit scharf geschnittenen derben Zügen zeigt. 
In der Linken hält Maria das göttliche Kind, welches die Weltkugel in den Händen trägt. 
Das lange Haar fließt in reichen Locken (wie auch bei den übrigen Frauengestalten des 
Giebels) über den Rücken hinab. Zwei befiederte Engel schweben zu Häupten der Madonna, 
die gleichsam die Krönung vornehmen. 
9 Vgl. Ubell, 1. c. S. 43, Halm, 1. c. S. 386. — 2) Auch Erzherzog Johann gefiel namentlich die Statue 
des hl. Georg. Vgl. „Die österr.-ung. Monarchie in Wort und Bild“, Oberösterreich und Salzburg S. 232. Dort 
findet sich auch ein nicht ganz gelungenes Bild des hl. Georg. „Dieser fast überall wiederkehrende himm¬ 
lische Ritter entspricht so recht jenem Ideale, wie es aus den höfischen Gedichten des späten Mittelalters 
herausklingt.“ 
— 30
	        
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