Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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Kupferstich bezeichnet wird, ist seit 1565 von Tizian mit der Reproduktion 
einiger seiner Gemälde beauftragt worden, und verdankt ohne Zweifel dem 
großen Maler die Anregung zur Umgestaltung seiner Stichtechnik. Er hat eine 
Reihe von tüchtigen Stichen nach Raffael, Michelangelo, Barocci, Giulio 
Clovio, Francesco und Taddeo Zuccari, dann auch nach Frans Floris und Bartho- 
lomaeus Spranger ausgeführt. 
In Holland wird das Cortsche und Carraccische System der freien Model 
lierung durch stark anschwellende Taillen von Hendrik Goltzius und seinen 
Schülern zur höchsten Virtuosität ausgebildet und mit großem Geschick zur 
Reproduktion der beliebtesten zeitgenössischen Kunstwerke verwendet. Goltzius, 
der 1558 in Mühlbrecht geboren wurde und bis zu seinem Tode i6iy haupt 
sächlich in Haarlem tätig war, geht als Stecher von einem gründlichen Studium 
der Technik Dürers und Lucas’ von Leyden aus, deren Vorzüge er mit den 
Fortschritten der Italiener zu verbinden sucht, besonders in der Pieta von 1596 
und in der Passion (B. 27-—38). Als Eklektiker hat er von seiner großen Fertig 
keit in der freien Nachahmung nicht nur der Technik sondern auch des Stiles 
verschiedener Künstler eine glänzende Probe abgelegt in seinen sogenannten 
sechs Meisterwerken, Stichen im Stile Dürers, Lucas’ von Leyden, Raffaels, Ba- 
roccis, Parmigianinos und Bassanos. Als Maler ist Goltzius einer der geschick 
testen aber auch einer der maßlosesten Verehrer der michelangelesken Manierismus. 
Die Formen seiner Gestalten sind ebenso gesucht, gewunden und geschwollen 
wie die allegorischen Gedanken, die den Inhalt der Darstellungen bilden. 
Als Kupferstecher ist er Virtuose im höchsten Grade, der erste eigentliche 
Virtuose, der uns in der Geschichte des Kupferstiches begegnet, der Stammvater 
einer langen Reihe. Mit seiner außerordentlich sicheren und regelmäßigen 
Stichelführung weiß er den skulptorischen Charakter, die Marmorglätte der 
Formen eigener und fremder Gestalten mit Meisterschaft wiederzugeben, frei 
lich meist mit Aufopferung des Gehaltes an ursprünglicher Empfindung. Die 
Beweglichkeit seines Grabstichels, der den feinsten Erhebungen der Oberfläche 
folgt und die einzelnen, verschieden gerichteten Taillengruppen vorzüglich zu 
sammenzuschließen versteht, ist bewunderungswürdig. Seine Technik ist überall 
von blendendem Glanz und besitzt oft auch hohe malerische Qualitäten. 
Goltzius hat über 300 meist ansehnlich große Stiche nach eigenen Kompo 
sitionen (s. Abb.) und nach Gemälden italienischer und niederländischer Meister, 
wie Agostino Carracci, Palma, Caravaggio, Rosso, nach Spranger, De Vos, Jan
	        
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