Volltext: Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten

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der h. Sebastian (ß. 109), der Jüngling, der am Fuße verwundet ist (B. 465), der 
Kairos (B. 380), Orpheus undEurydice (B. 282) sind ohne Zweifel vor 1505 ent 
standen, ferner wohl auch das Parisurteil (B. 339), Apollo mit drei Musen oder 
Grazien (B. 398), in denen die Landschaft noch ganz dürftig, ohne Dürersche 
Motive behandelt ist, und die Allegorie (B. 399) mit der Ansicht von Bologna. 
Marcanton bewegt sich im Stil der Zeichnung durchaus in den Bahnen Francias, 
dessen Kompositionsweise, Typen und Gewandbehandlung er mit großer Sorg 
falt, aber ohne Selbständigkeit, ja sogar ohne besondere Geschicklichkeit nach 
ahmt. Auf andere Vorbilder, falls er deren, wie behauptet wird, benutzt haben 
sollte, braucht daneben kein Gewicht gelegt zu werden. Die Antike, der Marcan 
ton sein ganzes Leben lang eine große Vorliebe bewahrt hat, beherrscht schon in 
diesen frühesten Arbeiten seine Phantasie fast vollständig. Er scheint sich also 
schon zeitig, wahrscheinlich durch gelehrte Vorbildung, in den humanistischen 
Ideenkreis der Gelehrtenwelt seiner Fleimatstadt eingelebt zu haben. Leider ist 
die Bedeutung der meisten seiner allegorisch-antikisierenden Darstellungen bisher 
noch unerklärt geblieben. 
Schon in diesen frühesten, noch recht dünn und trocken gestochenen 
Blättern ist die Technik nicht mehr die alte mantegneske, gradlinig schraffierende. 
Die Taillen sind zwar noch recht steif, beginnen aber schon sich nach den 
Formen zu runden; sie sind senkrecht oder schräg gegen den Umriß gezogen 
und in den Schatten durch Kreuzschraffierungen verstärkt. Ohne Zweifel sind 
schon diese technischen Fortschritte auf das Studium deutscher Werke zurück- 
zuführen. In den Arbeiten der folgenden Jahre seit 1505 läßt sich der un 
mittelbare und starke Einfluß Dürers besonders schlagend aus den zahlreichen 
Entlehnungen von Landschaftsmotiven aus Dürer-Stichen, die in fast allen 
Blättern Marcantons aus dieser Zeit auffallen, nachweisen. Nicht nur aus der 
lebendigen, aber etwas anekdotenhaften Erzählung Vasaris sondern auch aus den 
eigenen Werken Marcantons können wir ersehen, welche epochemachende Be 
deutung das Studium Dürers für seine Entwicklung als Stecher gewonnen 
haben muß. Marcanton hat eine Anzahl einzelner Kupferstiche Dürers mit 
größter Sorgfalt, allerdings mit mehr Interesse und Verständnis für die Technik 
und die Formen als für den geistigen Inhalt, nachgestochen und auch zwei 
der großen Holzschnittfolgen, das Marienleben und die kleine Passion voll 
ständig in Kupferstich kopiert. 
Das Marienleben, von dem zwei Blätter 150b datiert sind, muß voran
	        
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