Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. III. Angewandte Archäologie. 
Von der Nemesis gewinnen wir durch Dike (Dikaiosyne) x ) den 
Übergang zu den politischen Personifikationen. Dike ist den Griechen 
die strafende Gerechtigkeit, weshalb sie Keule, Hammer oder Schwert 
führt. * 2 ) Das Schwert hängt an der Statue von Epidauros ruhig' zur 
Seite, wogegen Dike mit den anderen Strafwerkzeugen in der vorpersi 
schen Zeit die personifizierte hässliche Adikia bedroht. Die Demokraten 
ziehen Demos und Demokratia vor, 3 ) welchen in Rom der Genius pub 
lic us entsprach. 4 ) Die Personifikation einzelner Städte und Länder 5 ) 
erfuhr dadurch besondere Begünstigung, dass die meisten eine Heroine 
oder auch einen Heros verehrten, von welchem ihr Name angeblich her 
zuleiten war. Die offizielle Kunst benützte diese Vorstellung etwa seit 
dem fünften Jahrhundert in Urkundenreliefs (S. 636), auf Münzen 6 ) und 
auch zu Statuen. 7 ) In der Prozession des Ptolemaios Philadelphos er 
scheinen Stadtgöttinen mit Diadem und Kranz. 8 ) Kurz vorher war von 
Eutychides der Typus der Stadttyche mit Mauerkrone und Ährenstrauss 
geschaffen worden (S. 670). Später hat man oft Repräsentanten der be 
siegten Völker (S. 734 f.) und Figuren besiegter Städte 9 ) den Römern vor 
geführt. Interessante Länder wie Afrika und Arabia erhielten ihr stereo 
types Bild, z. B. jene Ähren und Elephantenkopf, 10 ) diese ein Kamel. 11 ) 
Roma selbst trat, wie es sich gebührt, aus der Menge hervor; denn die 
Griechen, welche sie nach den Siegen der Römer zu verehren begannen, 
glichen sie der Athena an, von welcher sie, was Einzelfiguren anlangt, 
kaum zu unterscheiden ist, wenn äussere Zuthaten, z. B. die Wölfin am 
Helm 12 ) oder die Weltkugel, 13 ) fehlen. Ausserdem kollidiert mit Roma 
die Virtus (Romana). Politische Personifikationen bedürfen, wie die ganze 
Gattung überhaupt, fast unumgänglich erläuternder Inschriften, z. B. Eke- 
cheiria. 14 ) Die römischen Kaisermünzen sind reich an solchen Frauenge 
stalten. 15 ) Auch die literarischen Personifikationen, wie Tragodia, 16 ) Ko- 
0 Preller-Robert 1, 150 A. 2. 
2 ) Keule: am Kypseloskasten Paus. 5, 
18, 1; Eur. Hipp. 1171; Hammer: Amphora 
von Caere, Nuove mem. 388 ff. T. 4 = Bau 
meisters Denkmäler 1300; Schwert: Eurip. 
Bacch. 992; Statue von Epidauros: Milch- 
höeer, Jahrb. 7, 203 ff. m. Abb.; Phot. Bruck 
mann 14 (von anderen für Aphrodite er 
klärt); ßovrvTTst Const. Manass. am. 2, 11. 
3 ) Malerei: Paus. 1,3,3; S. 633; Statue des 
Demos von Lyson: Paus. 1, 3, 5; Fried- 
länder-Sallet, Münzkab.zuBerlin2 Nr. 685 ff. 
4 ) Es gab Darstellungen nach Ammian. 
20, 5, 10. 
5 ) Auf Münzen: Eckhel, doctr. num. 
347—527, Nachträge Rnum. 1865, 165; 
O. Schultz, d. Ortsgottheiten in d. griech. u. 
röm. Kunst, Berlin 1889. 
6 ) Z. B. Taras; Histiaia Rnum. 1865, 
164 T. 7, 10; Lemnos: Imhoof, griechische 
Münzen S. 6 T. 1, 3; Isthmos: Num. comm. 
p. 14. 
7 ) In Athen Paus. 1, 18, 6; Ortygia mit 
Leto’s Kindern, von Skopas: Strab. 14, 640. 
8 ) Athen. 5, 201 de. 
9 ) Ov. ex Ponto 3, 4, 105; Quintil. 6, 3, 
61 — Nola sedens: Silius 12, 163; Hypata 
heisst in einem Epigramm EvaQrjcpoqog Bch. 
1, 120. 
10 ) Als Hut: Ra. 1891, 1, 380 ff. 
n ) Cohen, med. imp. II p. 50 Nr. 309 
—12. 315 — 6; Millin, gall. myth. 49, 373. 
12 ) Wandgemälde im Pal. Barberini: 
Körte, AZ. 1885, 30 T. 4; am Triumph 
bogen des Septimius Severus: AZ. 1870, 35; 
Wölfin, an der Büste des Louvre Nr. 468: 
Clarac 1100, 2820 F; Phot. Bruckm. 317. 
13 ) In der Hand, Statue # der Villa Me- 
dicis: Phot, des röm. Inst. Über Roma Pa- 
risotti, Arch. d. r. soc. di storia patria 11, 
59 ff. 
14 ) Den Iphitos bekränzend Paus. 5, 
10, 10. 
15 ) Tölken, über die Darst. der Vor 
sehung u. der Ewigkeit nach röm. Kaiser 
münzen, Berlin 1844; Graefius, de Con- 
cordiae et Fidei imaginibus, Petersb. 1858; 
s. Cohen’s Register. 
16 ) Fronte comae torva Ovid. am. 3, 
1, 12.
	        
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