Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. III. Angewandte Archäologie. 
Zwang und keine künstliche Verhüllung erträgt, denken sich die Dichter 
und Philosophen die Chariten in ungegürteten durchsichtigen Gewändern l ) 
oder vollständig unbekleidet, 2 ) was die Künstler vorzogen. Indem sie 
sich liebevoll umschlungen halten, 3 ) stehen sie gewöhnlich so, dass die 
mittlere dem Beschauer den Rücken zukehrt. 4 ) Den Chariten gleichen 
die Horen 5 ) in der alten Auffassung; seit sie jedoch die Jahreszeiten 
bedeuten und auf vier sich vermehren, was zuerst unter dem zweiten 
Ptolemäer vorkommt, 6 ) erhalten sie die Naturgaben, welche jeder Jahres 
zeit eigen sind. 7 ) Die Römer personifizieren dann auch die Jahreszeiten 
selbst. 8 ) 
Bei den Griechen gleichen die Moiren jenen beiden Schwester 
gruppen vollständig. 9 ) In einem Gedichte alexandrinischer Manier 10 ) er 
scheinen sie aber bereits greisenhaft, weil ja die Geschicke in grauer Vor 
zeit festgestellt sind, weiters benützt man das homerische Bild vom 
Spinnen und andere Metaphern über das Schicksal, um ihnen Spindel, 
Lose, Buch und Wage zu geben. 11 ) Die Erinyen 12 ) gehören im Kultus 
zu jenen freundlichen Göttinnen; nur mögen sie, weil sie unter der Erde 
wohnen, Schlangen in der Hand halten 13 ) und schwarz- oder graugekleidet 
sein. 14 ) Dagegen haben die Dichter seit Äschylus das Bild der Gewissens 
qualen grausig ausgemalt. Schlangenhaarig 15 ) oder Schlangen ins Haar 
geflochten, 16 ) von Nattern umschlungen, die sich gegen den Frevler richten, 17 ) 
Feuer hauchend und mit glühenden Augen, 18 ) Fackeln schwingend, 19 ) mit 
Hör. c. 1, 30, 5 f.; Sen. de benef. 1, 3. 
2 ) Callim. fr. 266; acpaQeeg bei Euphorion 
(Meineke, anall. Alex. p. 106); Hör. c. 3, 19, 
17. 4, 7, 6; anderes bei Preller-Robert 1, 
484 Anm. 
3 ) Hör. c. 3, 19, 16 f. 21, 22; Claudian. 
29, 88 (imitiert Sidon. c. 11, 113). 31, 8 f. (so 
gar im Schlaf). 
4 ) Gruppe von Siena: S. 748; vgl. Jahn, 
Europa S. 34, 5; Köhler, ges. Schriften 
5, 65 ff. 
5 ) P. Herrmann, de Horarum apud ve- 
teres figuris, Diss. v. Berlin 1887; Rapp, 
Roschers Lex. 1, 2723 ff. 
6 ) Kallixenos bei Athen. 5, 198 b. 
7 ) E. Petersen, A. 1861, 204 ff. 1863, 
294 ff.; Robert, ant. Sarkophagrel. 2, 3 ff. ; 
arch.-ep. Mitt. 5, 43 f.; die Höre des Sommers 
hat einen etwas geneigten Kopf: Dütschke, 
Bildw. 4, 255. Die des Herbstes hat einen 
Traubenkranz (Nonn. Dion. 12, 21); vgl. über 
haupt Nonn. Dion. 11, 488 ff. 
8 ) A. 1852, 218 ff.; Autumnus: Hör. epod. 
2, 17 f. (liegend, mit Äpfelkranz auf dem 
Kopf), c. 4, 7, 11 (pomifer); vgl. Marx, Röm. 
Mitt. 7, 26; Winter, mit Enten (CR. 1863, 
97 ; Lateran Nr. 4) oder Hasen (Petersen, 
A. 1861, 208. 215 ff.; Dütschke, Bildw. 
4, 54). 
9 ) Frai^oisvase; Vasenscherbe: Preller- 
Robert 1, 533 A. 2; insofern ist gegen die 
Deutung der „Thauschwestern“ am Parthenon 
als Moiren nichts einzuwenden. 
10 ) Catull. 64, 305. Allerdings schon 
ncdcaysveis Aesch. Eum. 172; (uuxQaitoves 
Soph. Ant. 987. — Moiren mit ehernen Keulen: 
Apollod. 1, 6, 2?. 
n ) Welcher, Ztsch. f. alte Kunst S. 197 ff.; 
Schneider, Geburt der Athena S. 34 ff. 
StvysQa Khw&to Plut. mul. virt. p. 260 b. 
12 ) Dilthey, AZ. 31, 78 ff.; Rapp, Roschers 
Lex. 1, 1332 ff. 
13 ) Votivreliefs von Argos: Athen. Mitt. 
IV T. 9. 10. 
14 ) Schwarz: Aesch. Eum. 372; Lykophron 
1172 m. Tzetzes; Antip. Sid. Anthol. 7, 745, 
10; grau: Diog. L. 6, 102. 
15 ) Aesch. Cho. 1048; Tibull. 1,369; Verg. 
Aen. 7, 329 ; Nonn. Dion. 10, 40; Achill. Tat. 
1, 3. In der Mitte stehen zwei Schlangen 
gegeneinander auf: Ovid. met. 4, 495; Lucan. 
9, 634; vgl. Verg. A. 7, 450. Vgl. Helbig, 
Medusa Ludovisi S. 347 ff. 
16 ) Hör. c. 2,13, 35 f. epod. 5, 15; Lucan. 
6, 656; vgl. Medusa Rondanini. 
17 ) Aesch. Cho. 1049; Eur. IT. 287. 
18 ) Hauch: Eur. IT. 288, vgl. Aesch.Eum. 
132 ff.; Blick: Verg. Aen. 7, 448. 
19 ) Verg. Aen. 7, 456 f.
	        
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