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Klassische Kunstarchäologie. III. Angewandte Archäologie.
ihr Name in der Sprache gleichzeitig als Appellativ gebräuchlich. Hier
tritt nun die reine Symbolik ein und die Attribute sind Symbole. Am
nächsten steht den olympischen Göttern die Hestia. 1 ) Doch haftet ihr,
weil sie im Hause waltet, etwas schlichtes und doch geheimnisvolles an.
Wenn etwas sie von anderen Götterfrauen unterscheidet, ist es höchstens
die absolute Ruhe, aber eine sichere statuarische Darstellung ist nicht
vorhanden. 2 ) Der römischen Vesta war der Esel heilig, weshalb er auf
Neujahrslampen angebracht wird. 3 ) Auch die anderen Personifikationen
konkreter Dinge machen nicht durchaus den Eindruck des Schemen
haften.
Gaia 4 ) heisst bei den Dichtern die breitbrüstige, riesige und im
athenischen Kult die kindernährende, doch beschränken die Künstler sich
darauf, in Handlung sie halb aus dem Boden hervorragen zu lassen 5 ) und
sonst sie auf ihrem Elemente gelagert darzustellen. 6 ) Das Meer (Tha-
lassa) wird fast erst in christlicher Zeit abgebildet; 7 ) die Früheren haben
Okeanos als Person und zwar, wie Nereus, als Greis gedacht. Sein Ge
schlecht sind die Flüsse, 8 ) deren jeder seinen eigenen Gott hat. Homer
sagt über die Körperbildung nichts. In der Kunst ist dieselbe dreifach:
Stier mit männlichem Gesichte, 9 ) Mensch mit Stierhörnern 10 ) und endlich
ganz menschlich. 11 ) Diese menschliche Bildung dringt schliesslich durch,
dafür deutet eine Urne mit Wasser das Element, die liegende Stellung
den Flusslauf 12 ) und eine Grotte 13 ) (aus welcher sich der Gott erhebt) den
Ursprung an; wegen der Ufervegetation kommt öfters Schilf oder ein
Zweig bei den Flussgöttern vor. 14 ) Grosse Ströme dürfen den Dreizack
der Meeresgötter führen. 15 ) Neben dem Tiber, der Füllhorn und
Ruder hat, sieht man die Wölfin mit den Zwillingen. 16 ) Um den Nil
christl. Kunst I Th. 2 (Weimar 1851); R.
Engelhard, de personif. quae in poesi at-
que arte Romanorum inveniuntur, Göttingen
1881.
*) Preuner, Roschers Lex. 1, 2646 ff.
2 ) Die „Hestia Giustiniani“ ist falsch
benannt.
3 ) Rhein. Jahrbb. 22, 86 ff.; an einem
Grabstein in Turin Nr. 16 Dütschke.
4 ) F. W. Lilie, de Teiluris deae natura
ex veterum Graecorum fabulis descr., Progr.
1855; Roschers Lex. 1, 1575 ff.
5 ) Z. B. in der Athenagruppe des perga-
menischen Altares.
6 ) Auf Münzen der Kaiserzeit: Roschers
Lex. 1, 1584 f. Über die späte Beschreibung
des Manuel Philes s. K. B. Stark, de Tellure
dea deque imag. ejus a M. Ph. descr., 1848
mit 1 T.
7 ) Als Gegenstück der Erde, mit
Delphin, an einem Panzer des 1. (?) Jahrh.
n. Chr., in der Villa Albani: Claeac V
T. 936b, 2886 a; Zoega II 111.
8 ) Gardner, Transactions of the r. soc.
of lit. 2. s. XI. m. T.; Lehnerdt, Roschers
Lex. 1, 1488 ff.
9 ) Streber, Bayer. Akad. 1838, 537 ff.;
Wieseler, Gott. Nachr. 1891, 369 ff.; Eur.
Iph. A. 273; Münzen von unteritalischen und
sicilischen Städten, z. B. Gela (AZ. 1862
T. 168, 12 = Roschers Lex. 1, 1491); Nonn.
Dion. 1, 122; tauriformis Hör. c. 4, 14, 25.
10 ) TavQo^oQcpov ö[t[A<x Eur. Ion 1261?;
Festus v. taurorum specie; Danubius mit
goldenem Horn: Martial. 10, 7, 6.
u ) Vielleicht in den Giebelecken des
olympischen Zeustempels und des Parthe
nons; Münzen von Selinunt: Percy Gardnek,
types T. 2, 15. 16; Head, hist. num. S. 147 f.
(aus dem 5. Jahrhundert).
12 ) Horat. c. 1, 29, 11 pronos rivos; Sta
tue des Marforio, auf dem Kapitol: Helbig
I Nr. 399.
13 ) Sil. 12, 543; vgl. Auson. epigr. 3, 2.
14 ) Z. B. Bronze von Philippopolis unter
Hadrian (Kenner T. 1, 17); Eckhel, num.
an. T. 5, 8; pinus und Urne: Stat. Theb.
9, 409 f.
15 ) Z. B. Strymon: Bronze von Amphi-
polis: Mionnet, suppl. 3, 26, 190.
16 ) Statue im Louvre: Phot. Bruckm. 197.