Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. XI. Die oströmische Zeit: Erneute Herrschaft des Orients. (§ 382.) 799 
sehr primitiven Stufe sich befanden, x ) rücken allmählich in den Kreis der 
oströmischen Kultur ein. * 2 ) Venedig schliesst sich in den ersten Jahr 
hunderten seines Bestehens ganz an Konstantinopel an. 3 ) Ebenso borgen 
im Süden die Normannenkönige in ihrer Residenz zu Palermo (Palatina) 
und an anderen Orten Siziliens (z. B. Cefalü) die byzantinische Pracht; 
griechische Inschriften begleiten die Mosaiken von Cefalü und der Grieche 
Georgios Antiochenos erbaute S. Maria delP Ammirale (Martorana) in 
Palermo. 4 ) 
Wieviel die „mittelalterliche“ Kunst von der „byzantinischen“ ge 
lernt habe, 5 ) erörtern die Kunsthistoriker in verschiedenem Sinne. Vor 
allem ist in Betracht zu ziehen, dass die städtische Verfassung vieler 
Orte 6 ) und damit vielleicht auch die Zünfte des Altertums 7 ) das römische 
Reich überdauern mochten; dann lebten Elemente der spätrömischen Kunst 
ganz natürlich fort. In Gallien z. B. gehen die spätrömischen Funde un 
merklich in die „merowingischen“ über. 8 ) Dass das oströmische Reich 
den Abendländern in allen Künsten weit überlegen war, weil es die Tra 
ditionen des Altertums bewahrte und die Anregungen des Orients empfing, 
ist klar und ebenso klar muss es sein, dass jene die schönen Erzeugnisse 
der Levante, am meisten die Gewebe, 9 ) zu erwerben und nachzuahmen 
trachteten. Dekorative Künste und religiöse Malerei konnten sie von 
ihnen lernen; die Plastik mussten sie sich selbst schaffen. Mit dieser be 
ginnt denn auch die neuere Kunst. 
Was aber das gesamte Zeitalter anlangt, so ging wohl die zunft- 
mässige Technik wegen der politischen Umwälzungen an den alten Kultur 
stätten abwärts und die kunstfertigen Leute wurden selten; 10 ) es ist be 
zeichnend, dass Pabst Hadrian für die Decke der Peterskirche von Karl 
dem Grossen einen fränkischen Zimmermann erbitten musste. 11 ) Aber der 
Kunstsinn blieb stets lebendig. Daher darf ich dieses Kapitel und zu 
gleich die alte Kunstgeschichte mit den Worten Lamartine’s beschliessen: 
x ) Procop. b. Goth. B, 14. 
2 ) Kanitz, Serbiens byzantinische Mo* 
numente, Wien 1862, m. 12 T. f. 
3 ) Armingaud, Venise et le Bas-Empire, 
Arch. d. miss, scientif. 1867, 432 ff. 
4 ) S. 790, i; Abb. bei Bayet p. 295. 297. 
5 ) Die mittel- und nordeuropäischen 
Funde vor der Zeit Karls des Grossen pflegt 
man von der Völkerwanderungszeit oder den 
Merovingern zu benennen. Sie bedürfen 
aber noch der zeitlichen Festlegung, wozu 
die planmässige Ausbeutung der Schrift 
quellen notwendig ist. Für Deutschland ist 
z. B. auf Lindenschmit’s deutsche Altertums 
kunde zu verweisen; Irland: Marg. Stokes, 
early Christian art in Ireland (vgl. Bitter. 
Rundschau 1888 Sp. 22); über Spanien siehe 
.Tose Amador de los Rios, arte latino-bizan- 
tino, Madrid 1861; Schatz von Fuente de 
Guarrazar, 1858 bei Toledo gefunden: F. de 
Lasteyrie, descr. du trdsor de Guarrazar, 
Paris 1860, m. 5 färb. T. Farbige Probe bei 
Labarte I T. 32; über die Plastik: Paul 
Clemm, merovingische u. karolingische Pla 
stik. 
6 ) Z. B. im Rheinlande: J. E. Kuntze, 
d. deutschen Städtegründungen, Lpg. 1891 ; 
Gg. Wolff, Berl. phil. Wochenschr. 1891, 
1496 f. 
7 ) Ludo Moritz Hartmann, Urkunde 
einer röm. Gärtnergenossenschaft vom Jahre 
1030, Freiburg 1892 (dagegen Bremer, Gött. 
gel, Anz. 1893); E. Rodocanachi, les corpo- 
rations ouvrieres ä Rome depuis la chute 
de Fempire romain, Paris 1894, 2 Bde. 
8 ) Ra. 3, 20, 265. 
9 ) Springer, Mitt. d. k. k. Centralkomm. 
1860, 67 f. 
10 ) Im Jahre 497 wurde den Künstlern 
Steuerfreiheit zugesprochen (Chron. Edess. 
74), was in jenen Zeiten der Geldnot viel 
heissen will. 
11 ) Rumohr, italien. Forschungen 1, 215,
	        
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