Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

Kap. XI. Die oströmische Zeit: Erneute Herrschaft des Orients. (§ 380.) 795 
Die dekorative Kunst veranschaulicht die Rückkehr zum altorienta 
lischen Wesen am deutlichsten. 1 ) Wie in den geometrischen Ornamenten 
die Spiralenreihen, 2 ) so treten unter den Tieren die Ungetüme und Doppel 
wesen (z. B. der Doppeladler) wieder hervor. Sogar die Schnabelschuhe 
erscheinen wieder. 3 ) 
380. Nach Konstantinopel strömten, wie ehemals nach Rom, Ange 
hörige aller Nationen zusammen, 4 ) so dass es lange für die Metropole 
der alten Welt gelten konnte und nach allen Seiten Glanz verbreitete. 
Die Nachbarn des römischen Reiches können wir nicht vollständig durch 
gehen, da uns dies zu weit abführen würde; indes muss doch ein Über 
blick gegeben werden. In Ägypten war die alte Religion, wie wir 
sahen (S. 762 f.), in Auflösung geraten, welchen Prozess die diokletianische 
Autokratie, die ihr unverständliche Bücher für staatsgefährlich ansah, be 
schleunigte. Mit der ägyptischen Religion und demzufolge mit dem alt 
ägyptischen Stil ist, wiewohl ein dunkler Respekt noch von Synesios und 
anderen Späten ausgedrückt wird, in dieser Periode nicht mehr zu rechnen. 5 ) 
Dagegen fand doch das „Ägyptertum“ im Gegensatz zum griechischen 
Alexandrinertum einen starken Rückhalt an den Mönchen und Einsiedlern, 
und die Misswirtschaft der kaiserlichen Beamten führte die Opposition 
zur religiösen Sektiererei und schliesslich zum Landesverrat. Dieses kop 
tische Wesen ist in der Kunstgeschichte erst kürzlich beachtet worden. 6 ) 
In den Urkunden erscheinen Maler, welche für Behörden Kaiserbilder und 
für Klöster Religiöses malen, wofür sie z. B. Anweisungen auf Wein er 
halten. 7 ) Einzelne der enkaustischen Grabporträte (S. 688) stammen aus 
dieser Zeit, z. B. die Frau, welche mit altorientalischer Zierlichkeit einen 
Granatapfel an die Brust drückt. 8 ) Die Kirchen 9 ) enthalten vieles unge 
wöhnliche, wie die des Abu Sargah in Alt-Kairo ein derbes Holzrelief, 10 ) 
doch frägt es sich, ob die volle Sonderentwicklung schon vor die arabische 
Eroberung fällt; die der Miniaturenmalerei ist jedenfalls viel später. 
Das koptische Kunstgewerbe kennt man jetzt einigermassen durch die 
Gräberfunde von Achmim (S. 81). Betrachten wir den Schmuck, so 
fällt uns die Verwendung von Eisen, Zinn uud poliertem Holz auf; 11 ) 
am besten ist die Buntweberei bekannt, deren Produkte zeigen, dass 
der alte Ruf Alexandriens damals noch verdient war. 12 ) Wahrschein- 
9 Über die byzantinische Ornamentik 
s. Sophus Müller, Tierornamentik im Norden 
S. 157 ff., welcher westliche Einflüsse an 
nimmt. 
2 ) Diese verbreiten sich dann bis nach 
Skandinavien hinauf (Atlas du Nord, Eisen 
alter T. I 5. V 92). 
3 ) August, serm. de tempore 248; Du- 
cange zu Anna Comn. p. 140 d. 
4 ) Chrysostomos’ Predigt vom Almosen, 
gg- E. 
5 ) Ebers, Sinnbildliches d. kopt. Kunst, 
Lpg. 1892 versucht alte Symbole nachzu 
weisen; s. dagegen Riegl, Eranos Yindob. 
S. 191 ff.; Karl Schmidt, Gott. Gel. Anz. 
1893, 795 ff. 
6 ) Gayet, les monuments coptes du 
musee de Boulaq, Mem. p. p. les m. de la m. 
arch. fr. au Caire, III fase. 3, Paris 1889 u. 
la sculpture copte, G. d. b.-a. 1892 Mai Juli 
Aug.; Riegl, Byzant. Ztsch. 2, 112 ff.; zur 
Kulturgeschichte vgl. Renaudot, histoire des 
patriarches d’Alexandrie. 
7 ) Wiener Studien 9, 276 f. 
8 ) Graf Nr. 58. 
9 ) Butler, the ancient coptic churches 
of Egypt, Oxf. 1884 3 2 Bde. 
10 ) Butler a. 0. 1, 191 E. 11; Repert. f. 
Kunstw. 15, 375. 
11 ) Forrer, Gräber- u. Textilfunde T. 1. 
12 ) Forrer a. 0. T. 2—15 u. Antiqua 
1889; Gerspach, les tapisseries coptes, Paris
	        
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