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Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten Kunst.
Rom blieb die kirchliche Mosaikkunst auch fernerhin blühend. Venedig
interessiert als eine Kolonie byzantinischer Kunst; die Genesisbilder in
der Markuskirche sind nach einer Bilderhandschrift gefertigt. ! ) Die Mo
saiken bleiben noch für die Kunstgeschichte zu verwerten ; dass sie an
die Malerei der Kaiserzeit anknüpfen, * 2 ) versteht sich von selbst. Wegen
der starken Restaurierungen ist es rätlich, nicht so sehr auf die Einzel
heiten des Stiles und des Kolorits Gewicht zu legen als die Komposition
zu beachten. Die neue Richtung scheint darauf hinauszulaufen, dass nicht
bloss die strenge Frieskomposition wieder eingeführt, sondern auch die
Hofbilder zu Grunde gelegt werden. Wie der Kaiser mit seinem Hof
staate, so erscheint Christus mit den Aposteln und Heiligen vor uns,
damit wir ihn verehren; 3 ) daher sehen alle, falls sie nicht vor dem Höch
sten .sich verneigen, den Beschauer an. In Erinnerung an den Garten
des Ölberges trennen häufig Bäume die einzelnen Figuren. 4 )
Von den steinernen Bodenmosaiken ist schon oben gesprochen
worden (S. 784), hier müssen wir betonen, dass die einfachen mit ihren
geschmackvollen Mustern geflochtene Teppiche glücklich nachahmen. 5 )
378. Die Baukunst an sich, wenn wir von ihrem Figurenschmuck
absehen, nötigt auch dem einseitigen Freunde des Altgriechischen Ach
tung ab. 6 ) In ihr geht keine Revolution vor, sondern, was neues kommt,
ist nur die konsequente Weiterentwicklung älterer Keime. Wir denken
dabei besonders an die majestätischen Kuppel- und Zentralbauten (S. 324), 7 )
die Basiliken mit ihren Fensterfa^aden (S. 376 f.) und die schönen Arkaden
(S. 320). Die Vielfarbigkeit der Bauten, welche sofort in die Augen
stach, dauerte aus dem früheren Zeitalter fort (S. 712 f.) und erfuhr nur
durch politische Verhältnisse, indem steinliefernde Landstriche verloren
gingen, einige Veränderung. Unter den farbigen und spiegelnden Stein
sorten 8 ) werden ausser dem prokonnesischen 9 ) besonders der weisse Marmor
von Paros, der gelbe von Afrika, der grüne aus Lakedaimon und der
gleichfarbige, den man nun in Thessalien entdeckt hatte, 10 ) der fleckige
Marmor von Synnada (S. 713) und ein purpurroter Stein in Konstantinopel
0 Tikkanen, d. Genesismosaiken in Ve
nedig u. d. Cottonbibel, Helsingfors 1889.
2 ) Vgl. Müntz, Ra. 1878 Nov. 1879 Aug.
1882 Sept.
3 ) Ebenso wendet Augustin das Bild
eines Thronsaales auf die Philosophie an
(civ. d. 5, 20).
4 ) Z. B. in H. Georgios: Hertzberg, By
zantiner S. 91.
5 ) De Rossi a. O.; A. de Barthelemy,
B. monum. VI s. t. III S. 252 ff.; E. Müntz,
etudes ieonogr. et arch. sur le moyen-äge,
1. s. Paris 1887, 1 ff.; Pr. X. Kraus, Ztsch.
f. christl. Kunst 1, 29 ff.; aus Karthago: Ra.
VII T. 143; auf dem Athos: Djdron, Ann.
archdol. 24, 272 f. T.
ü ) S. 278; A. Choisy, l’art de bätir ehez
les Byzantins, Paris 1883; Bilderwerk: Chr.
Texier et Popplewell Pullan, architecture
byzani, London 1864, f.
7 ) Basilios I. baute die „neue“ Kirche
mit fünf Kuppeln (Theophan. cont. p. 326 B.).
8 ) Zosim. 5, 24; Prudent. c. Symm. 2,
151 f. 246 ff.; Gesetz von 440 (Codex Justin.
VIII 12, 21) über die Basilika von Konstan
tinopel; Sidon. carm. 3, 17 ff. 22, 137 ff.
9 ) S. 713; für dipidsg Konstantins Zosim.
2, 30; vgl. Cedren. I 609; z. B. Säulenkapi
telle in S. Apollinare zu Ravenna (mit Lie
ferungszeichen : Rahn, Zahns Ztsch. f. Kunstw.
1, 277).
10 ) Paul. Sil. 2, 226; vgl. Tafel, de Thes-
salonica ejusque agro, Berlin 1839 app. III
S. 439 ff.; eine dunkelgrüne Serpentinbreccia
auf hellerem Grund, vgl. Teller, Denkschr.
d. Wiener Akad. math.-naturw. CI. XL (1879)
S. 202 m. Abb.