Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

722 Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten Kunst. 
sie sei im wesentlichen unselbständig, während ihr Friederichs 1 ) einen 
bedeutenden Grad von Produktivität zutraut; zur Zeit Goethes und 
Winckelmanns hatte man die Statuen nicht minder bewundert als die 
Bilder der Bolognesen. In der Kunst verhält es sich nun gewiss ebenso 
wie in der Litteratur; das Alte galt theoretisch für besser, schreckte aber 
die Neuen nicht ab, sondern bald suchten sie den gepriesenen Meistern 
ihre Kunst abzulernen, wozu sie in den neu aufgekommenen Museen gute 
Gelegenheit hatten, bald schlugen sie neue Pfade ein, wobei man in An 
schlag bringe, dass die meisten Motive, z. B. alle ruhigen Stellungen 2 ) 
vorweg genommen waren. 
Unter Sullas Diktatur wird schon das Sammeln von (alten) Statuen, 
Bildern und ciselierten Gefässen erwähnt; 3 ) der Kunstkenner der auguste 
ischen Zeit versteht nicht die Künstler überhaupt, sondern die „Alten“ 
zu beurteilen. 4 ) Die attische Renaissance der Litteratur lenkte das Inter 
esse wohl auf die voralexandrinischen Werke, doch verstand Cicero den 
Atticismus dahin, dass man seinen Bedarf an Kunstsachen in Athen und 
Umgebung decken solle. 5 ) So kam der Atticismus den zeitgenössischen 
athenischen Künstlern zu gute; manche derselben mögen nach Rom aus 
gewandert sein, aber die Mehrzahl dürfte nahe den pentelischen Stein 
brüchen bei dem yillenorte Kephissia und in der von reichen kauf 
kräftigen Fremden viel besuchten Ilissosstadt geblieben sein, da in Rom 
den Künstlern die Privilegien der Professoren nicht winkten; jene Vorteile 
fielen dagegen bei der entlegenen Insel Paros fort, Rhodos lag auch 
etwas ferne, noch mehr das Innere Kleinasiens und so folgen den rhodischen 
und asianischen Rhetoren ihre kunstbegabten Landsleute nach Rom. In 
Athen nun zehrten minder begabte Künstler an dem Erbe der alten Zeit. 
Die strengere Observanz, welche mit den Grundsätzen der Diadochenzeit 
radikal brach, geht bis auf Myron, Polyklet und Phidias zurück. Der 
letztgenannte wird viel bewundert, aber seine chryselephantinen Kolosse 
passten wenig zu Vorbildern; immerhin hat er den verbreitetsten 
Athenatypus bis herab zu den tyrrhenischen Sandalen bestimmt. 6 ) Viel 
leichter eigneten sich die Regeln des Polyklet (S. 598) zur Wiederbenützung. 
Sobald man einmal nicht die Ermittlung polykletischer „Repliken“, sondern 
die Grenzen polykletischer Einflüsse als Ziel der Forschung aufstellen 
wird, kann diese Richtung treffend dargestellt werden. 7 ) Wir begnügen 
uns damit, einige Hauptpunkte zu berühren. Die Übereinstimmungen mit 
den polykletischen Massen 8 ) sind sehr abgestuft, indem mehr oder weniger 
Änderungen eintreten; am weitesten stehen natürlich die Figuren ab, welche 
entweder einen neuen Gegenstand zum Ausdrucke bringen, wie Dionysos, 
Pan, Heroen oder Antinoos, 9 ) oder welche in einen anderen Stoff (Marmor) 
v ) Bausteine S. 426 ff. 
2 ) Canova bei Missirini, vita di Canova 
p. 807 f. 
3 ) Sallust. Catil. 11, 6. 
4 ) Hör. s. 2, 7, 100 f. 
5 ) Cic. Att. 1, 1, 5. 8, 2. 4, 3. 6, 2. 8, 2. 
9, 2. 10, 3. 
6 ) Atliena des Antioehos, Museo Bon- 
compagni: M. III 27; im Louvre: Piroli, 
musöe Napol. I T. 11; Würzburg Nr. 11. 
. 7 ) S. 598,7; vgl. Petersen, Bcom. 1890, 
193; Arndt, Einzelverkauf Serie I Teil 2 
S. 6 f. 
8 ) Nach Galenos de sanit. tuenda 2, 7 
das Ideal. 
CJ ) Bronzefigur des Pan, nach dem Do-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.