Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten Kunst. 
Sogar die Heldenjungfrau Athene wird zum einfachen Mädchen. 1 ) Um 
gekehrt unterscheidet den Epheben, dessen göttliches Ideal Dionysos ist, 
nur weniges von dem anderen Geschlechte. * 2 ) Für sinnlichen Reiz sind 
die Menschen sehr empfänglich. Da schon im gewöhnlichen Leben die 
Kleidung beschränkt wird, 3 ) liebt die Kunst, möglichst viel zu zeigen; 
dafür sind die nicht durch die Religion geheiligten Personifikationen sehr 
bequem. Aphrodite, welche in dieser galanten Zeit eigentlich nur ein 
mythologischer Ehrentitel einer schönen Frau ist, bietet den Stoff zu 
mannigfachen Genrebildern: die Sandale lösend, im Bade zusammenge 
kauert, das feuchte Haar auswindend, ihr Taillenband umlegend, im Meere 
u. ä. 4 ) Die so gut wie unbekleidete Nike der ficoronisehen Ciste ist ein 
unreifes Mädchen. Übrigens scheuen die Künstler vor den strengsten 
Göttinnen nicht zurück; die jungfräuliche Artemis bilden sie wie eine 
Amazone und die strenge Hera fast im intimsten Hausgewande. 5 ) Die 
Amazonen selbst endlich bedürfen manchmal keiner Kleidung mehr. 6 ) Das 
Reich des Eros, der sich endgültig zu einer zahllosen Schar von Liebes 
göttern multipliziert hat, wird von Dichtern und Künstlern einträchtig ge 
pflegt. 7 ) Satyrepheben (Satyrisken) und Hermaphroditen haben den pikanten 
Reiz des Neuen. 8 ) Sogar Götter (Zeus) und Heroen (Odysseus) versucht 
mancher unmündig darzustellen. 9 ) Das Zwischenalter, wo nur ein leichter 
Flaum die Wangen deckt, findet ebenfalls seine Darsteller. 10 ) Das Kinder 
leben erfährt besondere Pflege. Von den Säuglingen an beobachten wir 
die Kleinen beim Spiele, im Verkehre mit ihren Pflegern, dann wie sie 
Tiere plagen; 11 ) häufig idealisiert man sie durch Anheftung von Flügeln, 
zu Eroten. 12 ) Unter den Tieren gelangen die Hündchen zu Beliebtheit. 
Den Pferden bindet man einen zierlichen Schopf zwischen die Ohren; 13 ) 
man sieht mit Vorliebe die Rosse sich bäumen. Unter den Vögeln ge 
messen Gänse und Schwäne die meiste Gunst. 14 ) 
0 Aus Kleinasien im Louvre Nr. 37; 
vielleicht auch Berliner Statue aus Frascati 
Nr. 72. 
2 ) Apollo mit weiblichen Wangen: Kal- 
lim. hymn. 2, 37; ßovncug Apollon. 1, 760. 
3 ) Epheben mit entblösster Brust: Theocr. 
2, 79. 
4 ) Sandale lösend: Myrina T. 5 und 
Bronzen; kauernd: Myrina T. 3; Haar aus 
windend (nach dem Bilde des Apelles): 
Bronzen; mit Taillenband: Bronze; mit dem 
Spiegel: Callim. hymn. 5, 21 f.; im Meer, 
auf silberner Schüssel: Anacr. 55. 
5 ) Overbeck, Kunstmyth. 3, 54 ff., um 
somehr Aphrodite in der Schilderung eines 
Bildes bei Apollonios 1, 744 f., wie man 
„Venus genetrix“ abbildet (Bernoülli, Aph 
rodite S. 91 ff.). 
6 ) Sarkophag von Corneto; ebenso die 
Danaiden: Heydemann, Mitteil. S. 93 (Abb. 
S. 4); an etruskischen Urnen sogar Kassan 
dra; Iphigenie und Penelope. 
7 ) A. Furtwängler, Eros in der Vasen 
malerei, München 1875; „Eros in der Terra 
kottaplastik“ wäre ein noch mannigfaltigeres 
Thema; z. B. Eros in der Stellung des bar- 
berinischen Faun: Myrina T. 22. Anacreont. 
2 B, 8 yQacpe xcd vo^covg cpthovvrtov bedarf 
keiner Erläuterung; obscöne Terrakotta 
gruppen: Martha, catalogue 44. 
ö ) P. Herrmann, Roschers Lex. 1,2319 ff. 
9 ) Odysseus: AZ. 35, 21 A. 14. 
10 ) Z. B. auf Münzen von Capua (318— 
268): Head, hist. num. S. 29 F. 12. 
n ) Säuglinge: CR. 1859, 133 ff. 1861, 
20; Kind auf der Schulter eines Erwachsenen 
reitend, auf Dionysos übertragen: Statue in 
Athen, Schöll, Mitt. T. 5, 10 = Wieseler, 
Theatergeb. T. 7, 6; Marmorrelief: Piranesi, 
mon. sep. II T. 27; sonst Stephani, ant. du 
Bosph. C. 2, 101; Bellori, arcus T. 30; Wie 
seler, Denkmäler II Nr. 522. Knabe mit 
der Gans: S. 693; mit Ente: O. Jahn, Ber. 
d. sächs. Ges. 1848, 41; CR. 1863, 55. 
12 ) Eroten bei der Weinlese, an einem 
Silberbecher nach Anacreont. 3, 18. 
13 ) AZ. 41, 44 A. 26. 
14 ) S. z. B. Heuzey, terrescuites T. 53.
	        
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