Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. II. Geschichte der alten Kunst. 
dieses Motiv kommt dann an Urkundensteinen öfter vor — oder er sitzt 
im Schosse Nemeas. l ) Die Neuerer dagegen waren neue Leute. Pauson 
bricht mit dem griechischen Idealismus und malt unschöne Menschen; vor 
seinen Bildern warnt Aristoteles die Jugend. * 2 ) Was wir sonst allein noch 
wissen, dass er ein im Staube sich wälzendes Pferd malte, passt gut dazu. 3 4 ) 
Ein anderer Maler kam von Samos, wo das Heiligtum Heras gewiss vielen 
Malern Verdienst schaffte, nach Athen; er hiess Agatharchos. Dass 
Alkibiades ihn einsperrte, bis er ihm sein Haus mit Bildern geschmückt, 
stellt seine Zeit fest. 1 ) Rasch und leicht arbeitend und ohne Lehrer 5 ) 
muss er der akademischen Richtung der Polygnotfamilie ganz entgegen 
gewesen sein. Er hinterliess jedoch eine Abhandlung über die crx^o- 
yquyicc, mit anderen Worten: er stellte die Linearperspektive theoretisch 
fest, nachdem Anaxagoras und Demokrit die Wissenschaft der Optik ent 
deckt. 6 ) Sonst war der Athener Apollodoros, der älteste Meister, welcher 
noch den verwöhnteren Geschmack späterer Zeiten befriedigte. 7 ) Plinius 
setzt ihn in die 93. Olympiade, also in den letzten Abschnitt des pelo- 
ponnesischen Krieges. War dieser, wie es scheint, nur durch ein Miss 
verständnis als „Schattenmaler“ in weiteren Kreisen bekannt, 8 ) so erwarb 
sich der wenig jüngere Zeuxippos aus Herakleia, gewöhnlich Zeuxis ge 
nannt, 9 ) die unbestrittene Gunst des grossen Publikums; bei den Sokratikern 
gilt der nach Athen übergesiedelte schon deswegen für den Meister der 
Malerei, 10 * ) weil er seine Kunst auch lehrte. 11 ) Die Gegenstände seiner 
Gemälde musternd, wird jeder eine schöpferische Beschäftigung mit Misch 
bildungen (Kentaurenfamilie, Autoboreas, Triton) beobachten. 12 ) Zu der roman 
tischen Phantasie erregte Zeuxis die Sinnlichkeit, indem er Helena ohne 
Grund der Kleider beraubte. 13 ) Nuditäten begegnen an den rotfigurigen 
Vasenbildern genug, aber dort sind eben Hetären dargestellt. Wenn sich 
aber die mittlere Komödie vornehmlich um Hetären dreht und mytho 
logische Stoffe travestiert, warum sollten es die Zeitgenossen einem Maler 
übelnehmen, der ihnen die euripideische Helena so zurecht machte? 14 ) 
9 Overbeck, Schriftq. 1130 ff. 
2 ) Poet. 2; polit. 8, 5, 7. 
3 ) Seine Gegner behaupteten, wenn man 
das Bild umdrehe, scheine das Pferd zu 
laufen; daher die Anekdote Plut. Pyth. orac. 
5; Ael. v. h. 14, 15; Lucian. Demosth. 
enc. 24. 
4 ) Ps. Andocid. c. Alcib. 17; Dem. 
Mid. 147. 
5 ) Plut. Pericl. 13; Olympiod. comm. in 
Phaed. 
6 ) Vitruv. VII praef. 10 (dieser mengt 
aus dem Borne seines Wissens den Aeschy- 
lus mit ein. Eher mag er von Sophokles 
herangezogen worden sein). 
7 ) Plin. 35,60; Nikomachos bei Hephaest. 
de metr. 4, 7. 
8 ) J A7Tohh6d'ü)Qog o axtayQacpog (Schol. 
II. X 265, benützt von Hesych. u. <ma) war 
ein Silhouettenzeichner; Plutarch (de glor. 
Athen. 2) verbindet ihn mit dem berühmten 
Maler. 
9 ) Plat. Protag. 318 b; Inschrift bei Ari 
stides II p. 521 D. (Preger Nr. 184.) 
10 ) Plat. Protag. 318 b. Gorg. 453 c; Xen. 
mem. 1, 4, 3. Symp. 4, 63, oec. 10, 1; Iso- 
crat. 15, 2. Nur Aristoteles vermisst das 
rj&og (poet. 6). 
n ) Plato Protag. 318 b. 
12 ) Lucian. Zeux. 3. Timon 54. Das 
Kentaurenbild ist von Sandro Botticelli (in 
der „Verleumdung des Apelles“) und von 
Genelli zu skizzieren versucht worden. Das 
Tritonenbild ist nach Heydemann, Terra 
kotten S. 16 benützt an einem Amethyst 
(Gori, inscr. antiq. etrusc. I T. 1, 5 u. Mus. 
Florent. 2, 46). 
13 ) Das Bild wurde im Tempel der laki- 
nischen Hera aufgehängt (Plin. 35, 64), kam 
aber später nach Rom (das. S. 66). Irrige 
Angabe in einem Iliasscholion bei Eustath. 
p. 838, 37. 
14 ) Jedenfalls war Helena dargestellt, 
wie sie Paris erwartet. Man vergleiche die
	        
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